Geschichte Irlands
frühchristliche Gold- und Silberschmiedekunst profitierte davon ebenso wie der anglo-normannische Festungsbaustil und die ornamentale Kunst der für Irland so typischen Hochkreuze. Durch den feudalen Herrn â den englischen König, einen Adligen oder einen Bischof â erhielten die Städte eine eigene Verfassung sowie eine Verwaltung und konnten nach einem längeren Zeitraum die besonders begehrte städtische Freiheit erlangen. Diese gipfelte in der City-Würde und dem Recht, den Bürgermeister zu wählen.
So hielt Irland Anschluss an das westliche Europa, wo ähnliche Entwicklungen stattfanden. Eine kulturelle Einheit hat es indessen im Westen Europas nicht gegeben. Denn wie in Wales blieben auch in Irland die als «barbarisch» wahrgenommenen Bewohner des «Celtic fringe», d.h. der gälischen Randlagen, vom Prozess der Zivilisation ausgeschlossen. Der religiösen Spaltung im 16. Jahrhundert durch Heinrich VIII. ging die soziale Spaltung im Hochmittelalter voraus. Dieses Motiv spannt sich wie ein Bogen über den Zeitraum zwischen 1169 und 1534.
Dublin entwickelte sich zum Zentrum der politischen und wirtschaftlichen Geschehnisse sowie der klerikalen und administrativen Macht. Es besaà ein fruchtbares agrarisches Hinterland, über das weltliche und geistliche Grundherren verfügten. Die Dreifelderwirtschaft war ebenso bekannt wie der Anbau von Weizen, Roggen, Hafer und Gerste sowie die wirtschaftliche Nutzung der Wälder. Nur die Diözese Dublin unterstand der Kontrolle Canterburys und war damit den englischen Hafenstädten gleichgestellt. Dublins Verbindungen zur anglo-normannischen Handelswelt und besonders zur Südwestküste Englands machten es zu einer Brücke zwischen der gälischen Kultur und dem aufstrebenden Königshaus der Plantagenets. Das restliche Irland war noch bis 1152 in kirchlichen Fragen von Laienäbten verwaltet worden, deren Amt erblich war. Nun aber forderte Dublin für sich selbst den Erzbischofssitz ein und lieferte damit dem englischen Papst Hadrian IV. das Argument, der anglo-normannischen Unterwerfung Irlands zuzustimmen.
Kolonisierung und Krisen
Die ErschlieÃung Irlands intensivierte sich als eine Konsequenz des rapiden Bevölkerungswachstums in Europa zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Hohe Nahrungsmittelpreise, Migration und niedrige Arbeitskosten machten die Kolonisierung noch schwach bevölkerter Landesteile für die Landwirtschaft nötig und möglich. So entstand ein kompliziertes Beziehungssystem zwischen Landbesitzenden und Pächtern, in dessen Folge die anglo-normannische Kultur, ihre Sprache und Gebräuche immer weiter Fuà fassten.
Das mittelalterliche Irland war hochgradig differenziert in weltliche und kirchliche Hierarchien, was sich selbst in der Architektur widerspiegelte. Der frühe anglo-gotische Baustil verdrängte in der Sakralarchitektur die irische Romanik. Dubliner Gebäude, auch solche für weltliche Zwecke, wurden zunehmend aus Stein statt Holz gebaut. Die Klöster der Zisterzienser, der Augustiner und besonders der Johanniter wurden durch anglo-normannische Schenkungen begütert und mit Meisterwerken der Gotik ausgestattet, die Klosteranlagen der Templer wurden festungsartig ausgebaut. Den neu erworbenen Reichtum des landbesitzenden Adels dokumentieren die mächtigen Burgen aus dem 13. Jahrhundert wie z.B. Castleroche in der Grafschaft Louth, die nicht nur als Militärstandorte, sondern als Zentren für die Finanzverwaltung der Region dienten.
Aber die koloniale Expansion in den Westen erforderte viel Personal, das man mit Unterstützung der Kirche rekrutierte. Für die Plantagenets war es selbstverständlich, dass sie als Feudalherren über die mit Kirchenämtern verbundenen Einkünfte (Temporalien) die neuen Bischöfe und Ãbte ernannten. Nicht selten fungierte ein Bischof als Vorsteher der Hofkanzlei, als Schatzmeister oder sogar als Richter. Daher beriefen die unter königlicher Herrschaft stehenden Diözesen nur noch anglo-normannische Bischöfe, und eine Kathedrale wie St. Patrickâs in Dublin verdankte ihre Gründung dem Zweck der Ausbildung von königlichen und kirchlichen Verwaltern. Doch weil die Durchdringung Irlands nicht vollständig war, blieben nicht-kolonisierte,abgelegene Territorien auch in religiösen Fragen rückständig. Hier wirkten Orden wie die Franziskaner und Dominikaner, ohne
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