Geschichte Irlands
verhindern zu können, dass im Inneren der Insel Zivilisationsgrenzen zwischen neu besiedelten und keltischen Territorien entstanden. Zwei einander fremde soziale Ordnungen waren im Begriff, sich parallel zueinander zu entwickeln.
In der Folge wurde das gälische Irland, besonders Connacht, zum Schauplatz unzähliger Kriege. Militärische Gewalt konnte jeder ausüben, der nur einen kleinen Haufen von Kriegern befehligte. Ihre Bezahlung besorgten sich die Söldner über Mittelsmänner und trugen damit zu anarchischen Verhältnissen bei. Im England des 13. Jahrhunderts war es üblich geworden, die Kosten für Ritterheere mit erhöhten Steuereinnahmen zu decken. Weil man sich in Irland diesen administrativen Mehraufwand sparte, bezahlte das Land mit seiner Dezentralisierung.
Adelshäuser wie die Butlers, de Burghs und die Geraldines konnten zwei sich nun abzeichnende Tendenzen nicht abwenden: erstens, dass der englische König die Insel als Quelle von Soldaten, Nahrungsmitteln und Geld ausnutzte, um seine Feldzüge in Wales und Schottland zu führen; und zweitens, dass irischer Landbesitz zunehmend in England residierenden Baronen unterstand. Als Missernten, Epidemien und Hungersnöte, wie sie im Norden Europas seit 1315 häufig wurden, 1348â1352 in einer verheerenden Pest gipfelten, setzte eine Migrationswelle zurück nach England ein. Auch der bis dahin verbliebene angloirische Adel sah für die Insel keine andere Zukunft mehr, als dass sie von der gälischen Bevölkerung zurückerobert würde.
ÃuÃere und innere Fremdherrschaft
Die Geschichte Irlands im 14., 15. und frühen 16. Jahrhundert stellt sich aus moderner Perspektive gar nicht so grundsätzlich anders dar, als sie schon von den Annalisten und historischen Kompilatoren der Zeit betrachtet wurde. Deren Werke, die den Kampf gegen die Fremdherrschaft schildern, dokumentieren die Glorifizierung von Befreiungsschlachten wie etwa derlegendären Schlacht von Clontarf (1014), die Etablierung einheimischer Traditionen, aber auch die hierarchische Ordnung der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Dass diese Historiographen von der europäischen Literatur beeinflusst wurden und dadurch einen internationalen Blickwinkel gewannen, geht vermutlich auch auf die Reisen von Ordensgeistlichen zurück. In jedem Fall öffnete sich Irlands Geisteswelt, auch die seiner Dichter und Barden, bereitwilliger, als es der walisische Chronist Giraldus Cambrensis in seiner Schrift
Expugnatio Hibernica
an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert noch prophezeit hatte. Die Auffassung, dass sich auf der einen Insel zwei Nationen etablierten, die sozial, politisch, wirtschaftlich und kulturell immer weniger Gemeinsamkeiten hatten, schien dagegen unbestreitbar. Die «irische Frage» in ihrer über Jahrhunderte währenden Kontinuität beruhte auf einer Grundgegebenheit der englischen Herrschaftspolitik des Hoch- und Spätmittelalters: Für England war die Kontrolle über Schottland und Frankreich zunächst viel dringlicher. Auch deshalb musste die Eroberung Irlands unvollständig bleiben.
Die Spaltung der Insel nahm nun konkrete Züge an. Die eine Seite galt als rebellisch, weil sie sich dem unter Heinrich II. eingeführten Common Law widersetzte und ihre eigenen Rechtsinstitutionen, ihre eigene Sprache und Kultur pflegte. Die Anglo-Iren, die Nachfahren der englisch-normannischen Eroberer, hingegen unterstanden dem Königsfrieden des Common Law, der in England einst die rechtlichen Unterschiede zwischen Sachsen und Normannen beseitigt hatte, doch auf Irland fatalerweise unvollständig übertragen wurde. Die Entsendung von englischem Personal für Leitungsfunktionen in Irland führte auÃerdem dazu, dass diese Elite sich als eine dritte Kraft einrichtete, die vom englischen König immer schwieriger zu kontrollieren war. Sie war mit der Aussicht auf Landbesitz und Vermehrung ihres Reichtums nach Irland gekommen. Nach englischem Vorbild wurden ein Rechnungshof, ein Schatzamt und ein Kanzler geschaffen, aber auf einen Vertreter des zumeist abwesenden Königs wurde vorerst verzichtet. Als die Pflicht zur persönlichen Heerfolge im 13. Jahrhundert durch Geldzahlungen abgeschafftwurde, lockerten diese Adligen ihre familiären Bindungen nach England in unterschiedlichem MaÃe, je nachdem, welcher Stufe des Adels sie angehörten. Naturgemäà behielt der Hochadel,
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