Geschichten aus der Müllerstraße
ihn seitdem auch nicht mehr, um ihn zu fragen.
Ich stand bald allein auf Straßenfesten und Plätzen herum und fasste einen Entschluss. Der Nächste, der anbeißen würde, dem würde ich meinen eigenen Job vermitteln. Das klang ausnahmsweise mal nach einer wirklich guten Idee.
Paul Bokowski
Bankgeflüster
ICH : Guten Morgen.
FRAU BEFELD : Tach.
ICH : Kann ich Sie was fragen?
FRAU BEFELD : Ob Se könn’ ,weeß ick nich’, aber Se könn’s jerne ma vasuchen.
ICH : Geht auch ganz schnell.
FRAU BEFELD : Ja, ja. Dit sach ich och imma. Stümmt nie.
ICH : Darf ich trotzdem?
FRAU BEFELD : Klar. Dabei mach ick hia seit neune extra ’n Jesicht, dass niemand uffe Idee kommt, mia wat fragen zu woll’n. Aber bitte bitte. Schieß’n Se ruhig los, junger Mann.
ICH : Ich hab Probleme mit dem Bankautomaten.
FRAU BEFELD : Soll ick ihn ma was anvatraun?
ICH : Aber bitte. Gern.
FRAU BEFELD : Dit is keene Frage, dit is ’ne Aussage.
ICH : Wo Sie recht haben, haben Sie recht.
FRAU BEFELD : Seh’n Se. Aber Sie seh’n mia aus wie ’n kleveret Kerlchen. Sie kriejen dit schon noch hin mit die Fragerei. Sie müssen dit Janze nur ’n bisschen umformulieren.
ICH : Einverstanden: Warum hab ich Probleme mit dem Bankautomaten?
FRAU BEFELD : So jut kenn ick Se leider nicht.
ICH : Sind sie kaputt?
FRAU BEFELD : Nee. Ick war schon immer so.
ICH : Nicht Sie! Ob die Bankautomaten kaputt sind, will ich wissen.
FRAU BEFELD :
(Nachäffend.)
»Da kommt keen Geld aus ’m Automat. Ick gloob der is im Eimer!«
ICH : Bitte?
FRAU BEFELD : Dit is imma dit Erste, was ick zu hören bekomme. Is Ihn schon ma in ’n Sinn jekommen, dass es da vielleicht ’n andern Zusammenhang jibt, wenn der Automat nichts hergeben will.
ICH : Ich will aber gar nichts abheben.
FRAU BEFELD : Ach so! Na dann is dit ja och keen Wunder, dass da nüscht kommt! Sin’ Se also doch nich’ so klever wie ich anfangs jedacht hab.
ICH : Sie versteh’n mich nicht.
FRAU BEFELD : Würd ick zwar ’n bisschen anders formulieren, aber im Grunde ham Se recht. Ick vasteh Se würklich nich’.
ICH : Ich will nichts abheben. Ich will was einzahlen!
FRAU BEFELD : Wat soll’n Se?
ICH : Was einzahlen!
FRAU BEFELD : Wie »was einzahlen«?
ICH : Na, was einzahlen will ich. Geld. Aus meiner Hand auf mein Konto.
FRAU BEFELD : Se sind nich von hia, wa?
ICH : Was?
FRAU BEFELD : Komm Se ma her.
ICH : Was?
FRAU BEFELD : Komm Se ma näher.
ICH :
(Rückt näher.)
FRAU BEFELD : Noch näher.
ICH :
(Rückt noch näher.)
FRAU BEFELD : Dreh’n Se sich ma um. Aber langsam. Seh’n Se dit. Die Leute da. Inna Schlange hinta Ihn’? Zwanzig traurige Jesichter. Eens hässlicher wie dit andere. Glooben Se ernsthaft, von denen will ooch nur eener was einzahl’n?
ICH : Wollen Sie mir weismachen, dass man bei Ihrer Bank kein Geld einzahlen kann?
FRAU BEFELD : Wenn dit meene Bank wär, würd ick och keene Einzahlungen anbieten. Ick würd aber och keene Auszahlungen machen. Is aba nich meene Bank.
ICH : Zum Glück.
FRAU BEFELD : Jetzt wer’n Se mia ma nich’ unfreundlich junger Mann.
ICH : Kann ich nun was einzahlen oder nicht?
FRAU BEFELD : Kann ick ihn nich’ sagen. Kommt hia nich’ so häufig vor. Ick arbeite ja auch noch nicht so lange hia.
ICH : Seit wann denn?
FRAU BEFELD : Lassen Se mich ma rechnen. Wann war dit mit die Mauer?
ICH : ’89?
FRAU BEFELD : Nee. ’61.
ICH : Ich hab das Gefühl, wir kommen hier nicht weiter.
FRAU BEFELD : Kenn ick. Kenn ick sehr jut. Ick hab dit Jefühl jeden Tag. Montag bis Freitag. Von Neune bis um Fünf.
ICH : Sie können also gar nichts für mich tun?
FRAU BEFELD : Ick kann ma den Filialleiter fragen wegen die Einzahlung. Heeßt dat wirklich so? Ein-Zahlung? Klingt so komisch. Gloob nich, dass ick dit Wort schoma inn Mund jenommen hab. Ein-Zahlung. Na, ick frag mal den Herrn Heßlein, damit Se sich ’n bisschen besser fühlen.
(Brüllt.)
Herr Heßlein! Hier will einer was einzahlen.
HERR HESSLEIN : Wat will der?
FRAU BEFELD : Wat einzahl’n will der.
HERR HESSLEIN : Wie »wat einzahl’n«?
FRAU BEFELD : Na wat einzahl’n! Geld. Vonner Kralle uffs Konto!
HERR HESSLEIN : Is nich’ von hier, wa?
FRAU BEFELD : Nee. Ick gloob, der will investieren.
HERR HESSLEIN : Investieren? Im Wedding?
FRAU BEFELD : Ja.
HERR HESSLEIN : Hat der ma inne Zeitung gekuckt die letzten zwei Jahre. Wie’s uns hier so geht? Bei dem ganzen Euro-Debakel will doch keener mehr was einzahlen. Zeig’n Se ihm ma den Conny.
ICH :
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