Geständnisse eines graumelierten Herren
befördert, der Dinge erfährt, die selbst dem ländlichen Nachrichtendienst verborgen bleiben. Es sei schon ein Kreuz mit dem Kreuz in dieser Zeit! Grad auf dem Land und mit der jungen Generation. Der heranwachsende, noch nicht bildungsverseuchte Mensch spüre, was auf ihn zukommt, wie Hund und Katze Erdbeben vorausfühlen, und es sei verwunderlich, daß die Jugend nicht längst den Glauben wiederent-deckt habe, schon aus Opposition gegen die Alten. Aber sie glaubt nicht. Deshalb hat sie Angst, will Sicherheit und keine Verantwortung. Wer mag noch den elterlichen Hof übernehmen? Lieber in die Fabrik. Noch besser Beamter werden. Verwalten statt gestalten! hat der Pfarrer in anschaulicher Kanzelsprache gesagt. Beim Pacher sei’s nicht anders. Der Älteste wolle in die Industrie, geregelte Arbeitszeit, verreisen können, nicht angebunden sein wie Kühe, wegen der Kühe...
Der Heilpraktiker ist dazugekommen, hat gegen die Chemie in Landwirtschaft und Medizin gewettert. Wer die Menschen nicht vergiftet, wird als Scharlatan bekämpft! hat er gesagt. Bis das große Erwachen kommt: Eines Tages werden wir vor vollen Tischen sitzen und nichts mehr essen können, weil die Grenze des Verträglichen überschritten ist.
Vernunft sei eine Frage ausreichender Katastrophen! hat Lukas gesagt. Darüber sind sie sich einig gewesen. Er hat sich verabschiedet, von Lipi und Tini, Marilou, dem Arztpaar vom Schlöglhof, dem Abgeordneten, Galeristen, Chefredakteur, Verleger. Dem britischen Konsul hat er geraten zu gehen, bevor die Männer im Kilt glasige Augen bekommen; gemeinsam haben die vier vom Bühlhof das Zelt verlassen.
Im Flez steht ein automatischer Anrufbeantworter. Detlef hat ihn angeschafft und, frei nach Lukas, besprochen. Die Herrschaften seien grad bei Tisch... So stört es nicht, als Daniela aus der Zeitung vorliest: „... während es abends beim inoffiziellen Teil weniger friedlich herging. Die schöne Stimmung des Festes vom Nachmittag wurde plötzlich unterbrochen, als eine Streitbarkeit zwischen einem Gast und einem Ortsansässigen entstand, wozu uns der Bürgermeister berichtet: ,Zuerst haben wir nichts bemerkt’. Inzwischen ist bekannt, daß eine verwitwete Frau Sch., die zwischen den Streitenden saß und dolmetschte, weil sie englisch spricht, jetzt einen Übersetzungsfehler zugibt, der offenbar zu diesem Streit geführt hat. Wir bedauern, daß der Herr englische Konsul, der den Streit schlichten wollte, offenbar mitten in denselben geriet. Ihm wurde eine Platzwunde am Kopf im Kreiskrankenhaus genäht, weil er ausgleichend wirken wollte. Trotz des Zwischenfalls fand anschließend eine Verbrüderungsfeier zwischen den Wettkampfteilnehmern statt, die bis in die frühen Morgenstunden ...“
Renate wundert sich, was Detlef daran komisch findet.
Seine Antwort überrascht. „Ich amüsiere mich wegen Georgia! Über die Kreise, die ihr Pech mit allem Ländlichen zieht. Der Konsul ist ihr neuester Begleiter und, wie’s scheint, ernsthafter Heiratskandidat.“
Ehemann im Absprung und abgesprungener Liebhaber sehen einander an. Ihr Augendialog spiegelt zweierlei: Freude für Georgia und Freude über das nahe Ende kostspieliger Komplikationen.
„Er paßt fabelhaft zu ihr!“ befindet Daniela. Ihr Urteil löst Gedankenbilder aus. Paradiplomatisches Parkett ist für Georgia der richtige Untergrund, Leben in sogenanntem großem Stil mit Chauffeur und Friseur. Sie hat noch viele Reinkarnationen vor sich.
Bella knurrt.
Dem Wagen, der vor dem Hof hält, entsteigt ein verzweifelt dreinschauender Bürgermeister, die Zeitung in der Hand. Da hat man ihm was Schönes eingebrockt! besagen seine Bewegungen. So eine Blamage!
Daniela zeigt sich amüsiert. „Dein Erfolg läuft dir nach.“ Schon an der Tür, dreht sich Lukas um. „Ich hab’ zu viel gewollt. Aber es war das letzte Mal.“
Vor dem Hof fängt er die Amtsperson samt allen Vorwürfen ab und geleitet sie, alle erdenklichen Details vorwegnehmend ins Zu-Haus. Die Schlagzeile sei eine unbezahlbare Reklame! Echt keltisch! Trotzdem werde er den Konsul selbstverständlich anrufen, der seine Schotten eigentlich besser kennen sollte.
Wie nach Freispruch entspannt sich das Gemeindeoberhaupt und bekennt auf der Stelle das Gegenteil seiner wohlüberlegten Argumente. „Schön war’s! Das machen wir jetzt jedes Jahr.“
Ein Schnaps besiegelt die Wende zum Erfreulichen. In diesem günstigen Klima wird Lukas’ Frage nach der Mülldeponie vertraulich beantwortet, wie
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