Geständnisse eines graumelierten Herren
zunehmender Ausstrahlung grast sie ihn ab, läßt sich Zeit. „Sie sind das also! Okay. Dann kenne ich Sie recht gut. Bei Daniela und Renate gehören Sie zu den festen Gesprächsthemen.“
Er hält ein Soso! für angebracht.
Sie lacht. Wenn von Lukas die Rede gewesen sei, hätten die beiden gekichert und einander Stichworte zugerufen, wie zwei Schulmädchen, die denselben Jungen anhimmeln.
Überraschende Wendungen pflegen Gespräche zu verlängern. Damit die Personenkenntnis nicht einseitig bleibe, läßt sich Lukas auf der Eckbank in der Küche von Martina, wie er sie jetzt nennt, ihre Geschichte erzählen. Drei Becher Tee, die sie dabei trinkt, ändern an der flachen Fassade nichts. Unvorstellbar, daß in diesem Minarett von Figur ein Kind hat heranwachsen können, Josephine mit Namen, dreijährig bereits, ohne Vater und mit wenig Mutter, in einem Waldvorort bei den Großeltern geparkt. Martina selbst lebt, nicht allzu fern vom Sender, in einem Appartement in der Stadt. Ihren Mutterpflichten kommt sie, wie auch jetzt, in erster Linie mit Stricknadeln nach. Aus reiner Wolle der draußen weidenden Schafe stellt sie Nestwärme her. Daniela hat ihr dazu geraten, als Konzentrationsübung gegen Unruhe, für die eine Gestirnkonstellation verantwortlich zeichnet, noch auf Jahre hinaus.
„Am liebsten würde ich auf dem Land leben, Schafe züchten, Teppiche weben, Hinterglasbilder malen, den Garten besorgen. Wie Daniela und Renate.“
Lukas glaubt ihr kein Wort. Abwechslung gegen Arbeit zu tauschen, Trubel gegen Stille, — wer das wirklich will, zieht sich aufs Land weniger laufsteghaft an, verströmt mehr Eigenfrische als Markenduft.
Daß Martina ihre angeblichen Wünsche dennoch täuschend genau auszudrücken versteht, überrascht ihn nicht.
„Landleben hat in den Köpfen der Städter drei Sterne!“ hat Renate gesagt. Also lauscht er freundlich Martinas Launen. Sie sollte ihn überraschen.
„Was mir vorschwebt, ist ein Austragshaus, ein Zu-Haus, wie man hier sagt, oder ein ausgebauter Stadel. Renates Zu-Haus ist genau richtig. Wenn sie’s ausbaut, ziehe ich sofort ein. Meine Wohnung in der Stadt behalte ich natürlich.“
„Natürlich.“
„Renate hat einen tollen Plan. Wir stimmen völlig überein. Kommen Sie, ich zeig’s Ihnen! Okay?“ Der maskuline Greifer hakt nach seiner Hand, wie nach einem Schubkarren voll Mörtel und schiebt ihn zur potentiellen Baustelle. Lukas kannte die Ausbauabsicht seit der Besichtigung des zu hütenden Anwesens und durfte gespannt sein.
Das schwache Rechteck war durch T-förmig angeordnete Wände in einen großen, über die ganze Breite gehenden Raum und zwei nebeneinanderliegende kleinere — ehemals Geräteraum und Garage für den Traktor — aufgeteilt. Alle mit Türen nach außen.
„Der Grundriß bleibt!“ sagte Martina.
Damit hatte er gerechnet. An stehenden Wänden wird selten gemäkelt. Was man schon hat, das hat man. Besichtiger richten ein, bevor sie kaufen.
„Der rechte kleine Raum wird Diele“, fuhr sie fort, „da kommt noch ein Klo rein, der zentrale Kamin und die Tür zum Wohnraum. Der linke wird Küche mit hoher Durchreiche, eine Art Bartresen, wo man seinen Cocktail trinken kann. Okay?“
Lukas nickte. Von Bar war bei Renate keine Rede gewesen. Woher sie die beiden kenne, fragte er.
„Ich hab mal eine Sendung über Frauenfragen moderiert. Da war Daniela dabei. Noch als Politikerin. Wir waren uns auf Anhieb echt sympathisch.“
Martina öffnete das Tor zum großen Raum und winkelte den Daumen ab. „Gegenüber der Bar kommt die Eckbank mit dem Tisch hin; hinter der Tür von der Diele führt die Treppe nach oben. Chic, was?“
Das deckte sich. Bis auf Bar und Chic.
Martina deutete auf die beiden Fenster. „Die werden natürlich größer und ohne Sprossen.“
Seine Frage, ob das Renates Plan entspreche, rief zuerst Falten hervor, dann ein Lächeln. „Man will doch was von seinem Bergblick haben. Okay?“
Lukas rätselte, was Daniela und Renate mit diesem Wesen verband. Über zwei Jahre immerhin.
„Ich hab Renate dann auch in eine Sendung reingenommen. Über Wohnungsfragen“, erzählte sie mitten in die Aufteilung des Obergeschosses. Die stimmte im großen und ganzen mit dem ihm bekannten Plan überein. Ausgenommen eine Sonnenterrasse auf Säulen, die das schmucke Häuschen zu einer Art Austragsvilla bastardisiert hätte.
„Ich hab mein Zimmer hier. Ich brauche das“, plapperte sie in der Küche weiter. „Dann stricken wir und machen
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