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Gewitterstille - Kriminalroman

Gewitterstille - Kriminalroman

Titel: Gewitterstille - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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in Maries Größe gibt. Ich weiß, dass es verrückt ist, aber ich glaube, dass man mit seiner Vergangenheit Frieden schließen muss, wenn man zurechtkommen will. Denk darüber nach. Vielleicht wäre es doch richtig, wenn du Kontakt zu ihr aufnehmen würdest, um herauszufinden, wer sie ist, und dann vielleicht auch dich selbst besser zu verstehen.«
    Sosehr Anna es sich wünschte, es gelang ihr dennoch nicht, Sophie zu entlocken, was sie empfand. Anna wusste, dass Sophies Mutter Briefe an ihre Tochter schrieb, die Sophie offenbar nicht las, denn Anna hatte einige ungeöffnet aus dem Papierkorb gefischt.
    »Ich weiß, dass du in dieser Sache deine eigenen Entscheidungen treffen musst, aber vielleicht wäre es gut, wenn du deinen Mut zusammennehmen und dich mit deiner Mutter auseinandersetzen würdest.«
    Sophie schwieg noch immer. Sie wich Annas Blick aus, und Anna wusste, dass das Mädchen in diesem Moment sehr traurig war.
    »Ich bin immer für dich da«, sagte Anna schließlich und stand auf. Sie drückte Sophie einen Kuss auf die Wange, bevor sie hineinging. »Schlaf gut und träum was Schönes.«

10. Kapitel
    D icht an die Wand gepresst schlich er über den kalten Linoleumfußboden der im Herzen der Lübecker Altstadt beim Dom gelegenen Klinik und schrak zusammen, als er Geräusche am anderen Ende des Flures vernahm. Er hastete drei Schritte zurück und verschwand erneut in dem dunklen kleinen Putzraum. Mit klopfendem Herzen und geschlossenen Augen stand er von innen gegen die Tür gelehnt und lauschte angespannt in die Dunkelheit. Mit gleichmäßigen Schritten näherte sich die Nachtschwester seinem Versteck. Der kleine Raum, der rundherum mit Borden für Putzutensilien und Eimer bestückt war, bot keinerlei Möglichkeit, sich zu verkriechen. Plötzlich, als die Nachtschwester auf Höhe seiner Tür angekommen schien, wurde es still, und er vernahm nichts außer dem leisen Summen der Neonröhren. Er meinte bereits, ihre Hand am gegenüberliegenden Türknauf zu spüren, als ihn ein lautes Klappern zusammenzucken ließ. Es dauerte einen Moment, bevor er begriff, dass die Nachtschwester mit dem Geschirr auf dem einige Meter entfernt stehenden Getränkewagen hantierte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, und er spürte seine Knie weich werden. Für einen Moment schloss er die Augen, und ihm kam das Bildnis der heiligen Jungfrau Maria in den Sinn, die, ihr Kind im Arm, in Stein gehauen das Portal des roten Backsteingebäudes schmückte. Obwohl er nicht sonderlich gläubig war, schien sie sein Stoßgebet gehört zu haben: Endlich wurde er erlöst, die Schritte entfernten sich wieder, wurden immer leiser und verstummten schließlich ganz. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spaltbreit und spähte auf den Flur hinaus. Es war wieder ruhig. Bis zum Krankenzimmer von Carla Brunsen waren es höchstens zwanzig Schritte. Er nahm seinen Mut zusammen, trat erneut hinaus und hastete lautlos voran. Ungestört erreichte er schließlich das Zimmer mit der Nummer 12, drehte behutsam den Türknauf und trat ein. Auf leisen Sohlen näherte er sich ihrem Krankenbett und lauschte dem Rhythmus ihres Atems. Der Mond schien friedlich und still durch das weiße Sprossenfenster und ließ ihr Gesicht grau erscheinen. Mit Ausnahme der kleinen Nachtleuchte, die am Eingang des Raums oberhalb der Fußleisten angebracht war, brannte im Zimmer kein Licht. Er trat zum Schrank und öffnete ihn leise. Es gelang ihm, die Kleiderbügel nahezu lautlos auseinanderzuschieben. Mit flinken Fingern durchwühlte er die Manteltaschen, in denen er zu seiner Enttäuschung nichts außer einem zerknüllten Papiertaschentuch fand. Während er auch ihr Jackett erfolglos durchsuchte, blieb sein Blick stets wachsam auf das Bett gerichtet. Sie lag auf dem Rücken, und ihr pfeifendes gleichförmiges Schnarchen ließ ihn sicher sein, dass sie fest schlief. Er tastete das Regal oberhalb der Kleiderstange ab, fand jedoch auch hier nichts. Leise schloss er den Schrank wieder und trat an ihr Bett. Er hielt einen Moment inne. Sein Atem hatte sich inzwischen wieder beruhigt. Sie sah ganz friedlich aus. Er vergewisserte sich, dass der Notknopf in sicherer Entfernung abgelegt war, und öffnete die Nachttischschublade. Erleichterung überkam ihn, als er ihr Portemonnaie darin ertastete. Er würde also nicht mehr weiter danach suchen müssen. Den Zwanzigeuroschein und die wenigen Münzen, die er fand, ließ er in seine Tasche gleiten. Sie würde den Verlust verschmerzen können.

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