Gewitterstille - Kriminalroman
auszustellen?«, fragte Anna weiter.
»Was heißt ausstellen?« Dieckmann war anzusehen, dass er Annas Frage nicht einzuordnen wusste. »Auch wir kommen heutzutage am Internet nicht mehr vorbei. Es hat sich in der Vergangenheit noch nie als Nachteil erwiesen, einige Stücke aus der Auktionsankündigung auch im Internet zu zeigen. Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, verdanke ich doch wohl auch Ihren Besuch heute unserer Internetpräsenz, oder?« Dieckmann setzte ein geschäftsmäßiges Lächeln auf.
»War dem jungen Mann denn daran gelegen, das Stück schnell zu verkaufen?«, forschte Anna weiter.
Irritiert blickte Dieckmann von seiner potenziellen Kundin Petra Kessler zu Anna. Ihm dämmerte wohl, dass er es gerade nicht mit einem klassischen Verkaufsgespräch zu tun hatte.
»Dem jungen Mann war daran gelegen, möglichst kurzfristig an Geld zu kommen«, bestätigte er dann in einem Tonfall, in dem Misstrauen anklang. »Wenn ich es richtig verstanden habe, plante er, im Ausland sein Glück zu versuchen, und wollte sich durch den Verkauf verschiedener Gegenstände sein Startkapital sichern.«
»Hat er Ihnen vielleicht noch weitere Dinge – zum Beispiel Münzen – angeboten?« Anna hatte keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Auktionator um einen seriösen Geschäftsmann handelte, der mit Sicherheit nicht wissentlich Hehlerware angekauft hatte.
Dieckmann schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er und schien nachzudenken. »Er hat sich allerdings bei mir nach Goldankäufern erkundigt.«
Anna und Petra Kessler wechselten einen Blick, der es Letzterer erlaubte, nunmehr die Karten auf den Tisch zu legen.
»Darf ich die Expertise bitte einmal sehen?«, fragte sie.
»Aber natürlich dürfen Sie das.« Dieckmann wollte sich gerade abwenden, um diese zu holen, als Petra Kessler fortfuhr:
»Die Expertise stammt von Dr. Heinecken und wurde im Jahre 1964 erstellt, nehme ich an.«
Der Auktionator hielt abrupt in seiner Bewegung inne und wandte sich ihr mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugier im Blick zu.
»Woher wissen Sie das?«
»Ich weiß es, weil ich diese Dose nicht ersteigern muss, da sie mir bereits gehört.«
Dieckmann schien das Gesagte auf sich wirken zu lassen, während er das teure Stück vorerst wieder in die Vitrine zurücklegte und diese verschloss.
»Ich denke, Sie werden mir das etwas näher erläutern müssen.« Er ließ den Schlüssel in seine Tasche zurückgleiten.
»Selbstverständlich«, sagte Anna und klärte ihn knapp über die Hintergründe ihres Besuchs auf.
»Ich werde jetzt die Kripo in Lübeck informieren und muss Sie bitten, das Stück vorerst unter Verschluss zu halten. Sie werden wohl einige Fragen beantworten müssen.«
Dieckmann nickte. Er schien ehrlich betroffen zu sein.
»Können Sie den Mann beschreiben, der Ihnen die Dose angeboten hat? Sicher haben Sie auch seine Personalien, oder?«, fragte Anna weiter.
»Ich nehme selbstverständlich die Personalien meiner Kunden auf und habe mir natürlich auch in diesem Fall eine Kopie vom Ausweis gemacht. Das mache ich grundsätzlich, wenn mir Kunden nicht persönlich bekannt sind, um mich gegen mögliche Regressansprüche zu schützen.«
Er ging zu seinem Tresen zurück und forderte seine Besucherinnen mit einem Nicken auf, ihm zu folgen.
»Jens Asmus«, sagte Anna leise, als sie den Mitarbeiter des Pflegedienstes auf der gefertigten Ausweiskopie erkannte. Die Schimpftiraden, die Petra Kessler über die deutsche Jugend von heute von sich gab, nahm sie kaum wahr. Sie blickte auf Sophie, die sich scheinbar unbeteiligt der kleinen Emily zugewandt hatte, und doch konnte Anna im Spiegel einer der Vitrinen ihr Gesicht sehen. Sophie kämpfte ganz offenbar mit den Tränen, und das erfüllte Anna mit tiefer Besorgnis.
12. Kapitel
A nna hatte einige Mühe gehabt, Petra Kessler auf der Rückfahrt zu vermitteln, weshalb sie die Dose, die zweifellos ihr Eigentum war, nicht gleich hatte mitnehmen können. Schließlich war sie aber doch einsichtig gewesen. Ein wenig konnte Anna den Ärger und das Misstrauen dieser Frau gegenüber der Polizei verstehen, jedenfalls als sie erfuhr, dass die Beamten des zuständigen Polizeikommissariats deren Diebstahlsanzeige bisher noch nicht bearbeitet hatten.
Allein Annas Initiative war es zu verdanken, dass die Staatsanwaltschaft Lübeck jetzt einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung von Jens Asmus erwirkt hatte. Auch die förmliche Vernehmung des Antiquitätenhändlers Dieckmann und die
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