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Gezeiten der Liebe

Gezeiten der Liebe

Titel: Gezeiten der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Roberts
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da und führte Selbstgespräche.« Hungrig stürzte sich Seth auf den Picknickkorb. »Er hat, na ja, mit jemandem gesprochen, der gar nicht da war. Sah komisch aus.«
    Cams Nacken prickelte. Dennoch ließ er sich nichts anmerken, als er wieder den Teller füllte. »Ich könnte auch ein bißchen frische Luft gebrauchen. Ich bringe ihm eben ein Sandwich raus.«
    Ethan stand am Ende des Piers und starrte aufs Wasser. Zu beiden Seiten des Piers sah man die Küste von St. Chris mit seinen hübschen Häusern und Gärten, aber Ethan blickte starr geradeaus, über die leichte Dünung hinweg zum Horizont.
    »Anna hat uns was zu essen gebracht.«
    Ethan verschloß seine Gedanken in seinem Innern und blickte auf den Teller. »Nett von ihr. Mit ihr hast du einen Volltreffer gelandet, Cam.«
    »Und ob.« Was er jetzt vorhatte, machte ihn entschieden
nervös. Aber schließlich liebte er das Risiko. »Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als ich sie das erste Mal sah. Ich war sauer auf die ganze Welt. Dad lag kaum unter der Erde, und alles, was ich mir wünschte, schien in weite Ferne gerückt. Der Kleine hatte mir an dem morgen Ärger gemacht, und mir wurde klar, daß der Rest meines Lebens nicht aus Rennen bestehen durfte, daß ich nicht mehr nach Europa zurückgehen, sondern in St. Chris bleiben würde.«
    »Du hast die größten Opfer gebracht. Indem du hierher zurückgekommen bist.«
    »Damals schien es zumindest so. Dann tauchte plötzlich Anna Spinelli auf, als ich die Stufen hinten am Haus reparierte. Sie verabreichte mir den zweiten Schock des Tages.«
    Da das Essen schon mal da war und Cam zum Reden aufgelegt schien, nahm Ethan den Teller und setzte sich auf den Steg. Ein Reiher flog vorüber, stumm wie ein Geist. »Ein Gesicht wie das ihre muß einem Mann ja einen Schock versetzen.«
    »Ja. Und ich war ohnehin schon nervös und gereizt. Knapp eine Stunde zuvor hatte ich diese Unterredung mit Dad. Er saß in dem Schaukelstuhl auf der hinteren Veranda.«
    Ethan nickte. »Dort hat er immer gern gesessen.«
    »Ich meine damit nicht, daß ich mich daran erinnerte, wie er dort saß. Ich meine, daß ich ihn leibhaftig dort sitzen sah. So wie ich dich jetzt vor mir sehe.«
    Langsam wandte Ethan den Kopf und schaute Cam direkt in die Augen. »Du hast ihn gesehen – in dem Schaukelstuhl auf der Veranda?«
    »Ich habe auch mit ihm gesprochen. Und er hat zu mir gesprochen.« Cam zuckte die Schultern und schaute aufs Wasser hinaus. »Also denke ich mir, daß ich halluziniere. Kommt von dem Streß, der Sorge, vielleicht auch von der Wut, die ich auf ihn habe. Ich möchte ihm so vieles sagen,
möchte ihn Dinge fragen, auf die ich eine Antwort will, also denkt sich mein Verstand nur aus, daß er dort sitzt. Aber so war’s nicht.«
    Ethan wagte sich vorsichtig aus der Deckung. »Wie war’s denn dann?«
    »Er war tatsächlich dort, das erste Mal und später noch mehrmals.«
    »Noch mehrmals?«
    »Ja, das letztemal am Morgen vor der Hochzeit. Er sagte, es wäre das letzte Mal, weil ich inzwischen herausgefunden hätte, was ich hätte wissen müssen.« Cam fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. »Ich mußte ihn erneut gehen lassen, obschon es diesmal ein bißchen leichter war. Er hat mir nicht alle Fragen beantwortet, aber ich schätze, die wichtigsten schon.«
    Er seufzte, fühlte sich jedoch schon viel besser. »Und nun wirst du mich entweder für verrückt erklären oder sagen, daß du weißt, wovon ich rede.« Er stibitzte eine Fritte von Ethans Teller.
    Nachdenklich brach Ethan eines der Sandwiches in zwei Hälften und reichte Cam seinen Anteil. »Wenn man sich auf das Meer einläßt, lernt man, daß es mehr gibt als das, was man sehen oder berühren kann. Nixen, den Wassermann, Seeungeheuer.« Er lächelte schwach. »Die Seeleute kennen sie, ob sie sie nun selbst gesehen haben oder nicht. Ich halte dich nicht für verrückt. Außerdem ist mir Ähnliches passiert.«
    »Erzählst du mir Näheres?«
    »Ich hatte ein paar Träume. Ich hielt sie zumindest für Träume«, berichtigte er sich, »aber in letzter Zeit kommen sie auch, wenn ich nicht schlafe. Ich schätze, ich habe auch eine Menge Fragen, aber es fällt mir schwer, anderen Auskünfte zu entlocken. Jedenfalls tut es gut, seine Stimme zu hören, sein Gesicht zu sehen. Wir hatten keine Zeit, uns richtig von ihm zu verabschieden, bevor er starb.«

    »Vielleicht steckt zum Teil das dahinter. Aber es ist vermutlich nicht alles.«
    »Nein. Ich weiß bloß nicht, was er von

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