Gezinkt
sehr hier. Es stimmt, was man immer sagt, wissen Sie. New York ist wirklich eine Reise wert.«
Nachwort zu »Angst«
Ich möchte für einen Augenblick mein Dozentensakko anlegen und Sie zum »Einführungskurs Furcht« willkommen heißen, auch bekannt als: »Wie schaffe ich es, dass meinen Lesern die Haare zu Berge stehen?« Dazu werde ich kurz erläutern, wie ich das Moment der Angst in meine Werke einbaue.
Ich bin Krimiautor, kein Philosoph oder Psychiater. Ich beschäftige mich mit Angst nur insoweit, als sie mit dem Erzählen von Geschichten zu tun hat. Ich habe »Angst« geschrieben, um fünf wesentliche Ängste zu illustrieren, die ich regelmäßig in meinen Büchern verwende. Außerdem werde ich einige Regeln nennen, die die Wirkung jener Ängste bei meiner Leserschaft verstärken.
Die erste der fünf ist unsere Furcht vor dem Unbekannten. Während der gesamten Geschichte »Angst« weiß Marissa nie genau, was geschehen wird (und wir Leser ebenfalls nicht). Zu Beginn sagt Antonio: »Es ist eine Überraschung«, und ich erhalte die Unsicherheit, die mit diesem Satz begründet wird, so lange wie möglich aufrecht. Marissa weiß nicht, wohin sie fahren, was die alte Frau gemeint hat, wer Lucia war, was Antonio in dem Haus in Florenz tat, was sich im Weinkeller befindet... Ja, ihr wird – zu spät – klar, dass sie Antonio selbst im Grunde gar nicht kennt.
Die zweite ist die Angst, die wir empfinden, wenn andere Macht über unser Leben ausüben – wenn wir also befürchten, verwundbar zu sein. Marissa ist eine mit allen Wassern gewaschene Geschäftsfrau, intelligent und stark, und doch habe ich ihr alle Mittel genommen. In »Angst« ist Antonio der Fahrer und Marissa nur ein Passagier, wörtlich und im übertragenen Sinn. Am Ende der Geschichte findet sie sich fast nackt in einem abgelegenen Landhaus wieder, ohne Handy oder Waffe, in einer engen Zelle eingeschlossen, vollkommen der Gnade eines Verrückten mit einem Messer ausgeliefert, und niemand weiß, wo sie sich aufhält. Kann man noch verwundbarer sein?
Die dritte Angst ist die vor anderen, die sich selbst nicht in der Gewalt haben. Wenn die Menschen gesellschaftliche Regeln einhalten, fürchten wir uns weniger vor ihnen. Wenn nicht, dann fürchten wir uns mehr. Psychopathen wie Antonio haben keine Kontrolle über ihr eigenes Handeln, deshalb können wir nicht vernünftig mit ihnen reden, und sie werden nicht von Gesetzen und Moral geleitet. Die Furcht ist dann am größten, wenn die Kontrolle bei jemandem fehlt, der uns nahe ist. Ein zufälliger Mörder oder sonstiger Krimineller ist schlimm genug, aber wenn Leute, die wir kennen und die uns nahestehen, anfangen, sich merkwürdig und bedrohlich zu verhalten, sind wir besonders verängstigt. Aus diesem Grund lasse ich meine beiden Figuren ein Liebespaar sein.
Die vierte Angst, die ich einsetze, ist unser eigener Mangel an Selbstbeherrschung. Ich erwähne das unerklärliche Verlangen, sich von einer Brücke oder einer Klippe zu stürzen – ein Drang, den wir alle in der einen oder anderen Weise erlebt haben. Marissa befürchtet, diesem speziellen Impuls nachzugeben, aber in meiner Geschichte benutze ich ihn als Metapher für eine umfassendere Angst von ihr, nämlich in Bezug auf Antonio die Kontrolle über sich zu verlieren. Zusätzlich nötige ich ihr Drogen auf, um ihre Selbstbeherrschung noch weiter zu untergraben.
Die fünfte Angst ist eigentlich eine sehr breit gefasste Kategorie, die ich die Zeichen des Schreckens nenne. Es handelt sich um Bilder (häufig klischeehafte), die uns Angst machen, entweder weil sie von vornherein in unser Gehirn eingeprägt sind oder weil wir gelernt haben, sie zu fürchten. Zu den Zeichen, die ich in dieser Geschichte benutze, gehören
• der Vorbote des Bösen (die alte Frau mit den gelblichen Augen und die Zwillinge in Florenz);
• die religiösen Motive und die gewalttätigen Bilder auf dem Wandteppich, den Marissa beim Kennenlernen der beiden betrachtet hat;
• der Giftring, den Antonio für Marissa gekauft hat;
• die Echos des Bösen, die mit bestimmten Örtlichkeiten in Verbindung stehen (das Ungeheuer von Florenz – ein echter Serienmörder, nebenbei bemerkt – und die fiktiven Foltermorde an der Straße zwischen Florenz und Siena);
• der tote Junge;
• Puppen (tut mir leid, Madame Alexander, aber sie können schlicht und einfach unheimlich sein);
• die isolierte, düstere Szenerie um das Wochenendhaus;
• die fensterlose Zelle;
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