Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
und kehrte damit ins Schlafzimmer zurück. Der Mann schien sich nicht bewegt zu haben. Für einen winzigen Moment dachte sie, er wäre tot, doch dann sah sie das langsame Heben und Senken seines Brustkorbs. Unentschlossen, wo sie beginnen sollte, stellte Marisa die Schüssel auf den Nachttisch, zog die Latexhandschuhe über, tauchte einen Waschlappen ins Wasser und begann, die Haut um die Verletzung herum zu waschen. Übelkeit stieg in ihr auf, als sie die tiefe Wunde sah. Was konnte das für eine Waffe gewesen sein? Es war weder eine Schusswunde, noch sah es nach einem Messerangriff aus. Eher als hätte ihn ein Tier angefallen … Nein, das konnte nicht sein, dann wäre er nicht nackt. Vielleicht war er irgendwo gestürzt und hatte sich an Felsen verletzt? Aber auch dann verstand sie nicht, warum er keine Kleidung trug und wie er auf ihre Veranda gekommen war. Sie würde ihn fragen, sobald er zu sich kam, jetzt sollte sie sich darauf konzentrieren, ihn zu verbinden.
Methodisch reinigte sie die Wunden, desinfizierte sie und verband sie notdürftig. Sie war nicht darauf vorbereitet, einen Mann auf ihrer Veranda zu finden, der wie angestochen blutete und ihren gesamten Vorrat an Verbandsmaterial aufbrauchen würde, aber schließlich waren alle Wunden versorgt, die sie in seiner jetzigen Lage erreichen konnte. Sie richtete sich auf und rieb sich über ihren Rücken, der von der gebückten Haltung schmerzte. Nachdenklich betrachtete sie den Fremden. Wie sollte sie ihn umdrehen, ohne die Wunden wieder aufzureißen und ihm womöglich noch weitere Schmerzen zuzufügen? Sie würde einfach vorsichtig sein müssen, denn schließlich konnte sie ihn nicht liegen lassen und hoffen, dass er nicht aus einer verdeckten Wunde verblutete.
Marisa trat auf die andere Seite des Bettes, packte seine Schulter und die Hüfte und zog, einen Fuß gegen die Bettkante gestemmt, mit aller Kraft. Erst passierte gar nichts, dann rollte sein Körper schließlich herum, wobei sie allerdings erneut auf dem Boden landete. Leise fluchend kam sie wieder auf die Füße und erstarrte. Nicht, dass sie nicht wusste, wie ein nackter Mann aussah. Aber dieser war schon ein besonders gelungenes Exemplar. Die breiten Schultern reichten beinahe von einer Bettseite zur anderen, der behaarte Oberkörper war kräftig, die schmale Hüfte ging in lange muskulöse Beine über. Marisa weigerte sich, das, was dazwischenlag, näher in Augenschein zu nehmen. Es reichte, wenn sie aus den Augenwinkeln den Streifen dunkelblonder Haare sah, der von der Brust abwärts verlief. Nach einem tiefen Atemzug konzentrierte sie sich wieder auf ihre Aufgabe. Glücklicherweise hatte er auf der Vorderseite nur eine Wunde am Oberarm und eine kleinere über den Rippen. Dafür würde ihr Verbandszeug gerade noch ausreichen.
Es bereitete ihr mehr Sorgen, dass er nicht wieder aufwachte. Vielleicht hatte er zu viel Blut verloren und lag nun im Koma. Nein, eigentlich war keine der Wunden so ernst, dass er dadurch verbluten konnte. Allerdings glaubte sie auch nicht mehr, dass er betrunken war, denn er roch nicht nach Alkohol. Eine Gehirnerschütterung oder sogar ein Schädelbruch wären auch eine Möglichkeit. Zögernd schob Marisa ihre Hände in seine Haare und tastete seinen Kopf ab. Die dunkelblonden Strähnen waren seltsam weich, fast als würde sie Fell berühren. Marisa verzog den Mund. Sie war eindeutig übermüdet. Sorgfältig forschte sie nach Beulen oder offenen Wunden, fand aber nichts.
Erleichtert trat sie zurück. Gut, das schien nicht der Grund für seine tiefe Bewusstlosigkeit zu sein. Also wohl doch Drogen. Vermutlich würde sie einfach warten müssen, bis er seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Sie würde seine übrigen Wunden verbinden und ihm dann den Rest der Nacht Zeit geben, sich zu erholen. Wenn er morgen nicht aufwachte, würde sie wohl oder übel einen Arzt und die Polizei informieren müssen. Sicher wurde er auch schon vermisst, von seiner Frau oder Freundin … Marisa schüttelte den Gedanken ab. Das war nicht ihr Problem, sondern seines. Sollte er denen erklären, warum er nackt draußen herumlief und was passiert war. Mit inzwischen routinierten Bewegungen säuberte sie die Armwunde und desinfizierte sie. Auch diese Verletzung wirkte eher wie eine Risswunde und nicht wie ein Messerstich. Nun, er würde ihr hoffentlich morgen erklären können, was passiert war. Andererseits, vermutlich wäre es besser, wenn er einfach verschwand, ohne dass sie irgendetwas über ihn
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