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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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gegangen war, wohl kaum reagieren würde. Ohnehin war ihm nicht Ilyas explosive Wut eigen. Um so zu sein wie Tony, braucht man eine gewisse Coolness, eine Art psychopathische Gelassenheit.
    Also beruhigte ich mich mehr oder weniger selbst, dass Ilya die Nacht sicherlich unverletzt überstanden hatte.
    Um die Mittagszeit herum machte ich mich auf zu seiner Pension.
    Den ganzen Morgen war ich zwischen Entschlossenheit und Unentschlossenheit hin- und hergependelt – nicht darüber, ob ich es tun würde, sondern darüber, wie ich es machen wollte. Vielleicht wäre es einfacher, wenn ich ihm einfach ein paar Zeilen schreiben würde. Wenn ich es ihm ins Gesicht sagte, würde er möglicherweise versuchen, mich davon zu überzeugen, es mir noch einmal zu überlegen; vielleicht würde es ganz schrecklich werden und fürchterlich emotional, und dann könnte ich noch einmal schwach werden.
    Aber ich glaubte nicht, dass so etwas passieren könnte. Bei allem, was wir zusammen durchgemacht hatten, war «Tintenfisch», das Ende, etwas gewesen, dem wir beide uns immer mit Respekt genähert hatten. Selbst in der Pension, umzingelt von Schlägertypen, hatte Ilya mir noch angeboten, das Wort zu sagen, einfach rauszugehen und es ihm zu überlassen, mit Tony und seiner kalten, schadenfrohen Gewalttätigkeit fertigzuwerden.
    Etwas fast Heiliges schien über dem sauberen «Tod durch Tintenfisch» zu liegen.
    Ja, ich würde es ihm also ins Gesicht sagen. Denn ich wollte auch seine Reaktion sehen. Würde er erleichtert wirken? Verletzt? Würde er wie ein Wilder anfangen zu packen, jetzt, wo ihm klarwerden musste, dass er bei seinem Spiel keinen Trumpf mehr hatte, den er einsetzen konnte?
    Es war ein warmer, seltsam windiger Tag. Ich lief die North Street hinunter, und allen Leuten wehten die Haare und die Kleider mal in diese, mal in jene Richtung. Als ich Old Steine erreichte, zog mir die Kraft dieses Sturms, der vom Strand heraufkam, fast die Beine unter dem Körper weg. Die Wellen schlugen an den Strand, wie ich es noch nie vorher gesehen hatte, und die See war aufgewühlt und kabbelig. Das Wetter war wirklich merkwürdig.
    Bei Ilyas Bed & Breakfast angelangt, drückte ich auf den Klingelknopf. Wieder kam der beigefarbene Mann an die Tür, und wieder sagte ich ihm, dass ich da sei, um jemanden in Zimmer neun zu besuchen.
    Er schüttelte den Kopf. «Ist heute Morgen abgereist. Wohnt nicht mehr hier.»
    Ich brauchte eine Weile, um das zu begreifen. Ich stand einfach nur da, während der Wind die Straße hinaufwehte und mir die Haare über das Gesicht.
    «Sind Sie sicher?», fragte ich und erhob meine Stimme ein wenig, da der Wind meine Worte mitzureißen schien.
    «Ja. Ist Ihr Name …» Der Mann zog die Stirn kraus und bedeutete mir, in die Empfangshalle zu kommen.
    «Sind Sie sicher?», wiederholte ich noch einmal, während ich die Eingangstür schloss und damit das Lärmen des Wetters aussperrte. «So ein dunkler Typ. Sein Name war … ist Ilya Travis.»
    «Ja», antwortete der Wirt, und er verschwand in einen Raum mit lauter abgeräumten Frühstückstischen, Lampenschirmen und Tüllgardinen. «Irgend so ein merkwürdiger Name war es, ja», rief er zurück. «Er hat in Zimmer neun gewohnt.» Er kehrte mit einem Umschlag zurück, schaute erst auf diesen und dann auf mich. «Wie heißen Sie?»
    «Beth», sagte ich leise. «Beth Bradshaw.»
    Er gab mir den Umschlag, und ich nahm ihn mit zitternden Händen. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.
    Mein Name war auf die Vorderseite gekritzelt, und ich atmete wortlos durch vor Erleichterung, als ich Ilyas Handschrift erkannte. Ich hatte schon befürchtet, ich würde sie nicht erkennen und drinnen würde dann irgendetwas Schreckliches stehen über das Schicksal, das Ilya ereilt hatte. Wobei das ja immer noch der Fall sein konnte. Vielleicht war dies hier eine blutbespritzte Abschiedsnachricht, geschrieben von Ilya, während er eine Pistole an der Schläfe hatte.
    Ich wollte das nicht öffnen.
    «Wissen Sie, wohin er abgereist ist?», fragte ich. «War jemand anders bei ihm?»
    «Er hat einfach bezahlt und ist gegangen», sagte der Wirt achselzuckend und legte die Hand so auf das hölzerne Geländer, als würde er jetzt gern nach oben gehen. «Er wird mir wohl kaum erzählt haben, wohin er von hier aus wollte, oder? Dies ist ein Bed & Breakfast. Leute kommen. Leute gehen. Ziemlich früh war’s noch. Na gut, kann ich sonst noch was für Sie tun?»
    «Nein», flüsterte ich und fühlte mich

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