Hexer-Edition 05: Der Seelenfresser
So ziemlich die erste Weisheit, die mir einer der drei Michaels über das Verlagswesen beibrachte, war ein denkwürdiger Satz, der seither (anfangs auf Papier geschrieben, später dann in massiven italienischen Granit gemeißelt) über meinem Schreibtisch hängt:
Termine sind zum Überziehen da.
Ein einfach wunderbarer Satz, der jedem Autor wie Öl runtergeht, zumal er von einem leibhaftigen Redakteur stammt. Selbstredend habe ich ihn niemals verinnerlicht, oder gar zu meiner Maxime gemacht, oder … ähm, also lassen wir das.
Unglückseligerweise sollte ich schon recht früh in der Geschichte des Hexers in die Verlegenheit kommen, genau diesen Satz unter Beweis zu stellen. Zu verdanken habe ich das zwei grundverschiedenen Tatsachen: Zum einen meiner Liebe zu Katzen, zum anderen meiner Begeisterung für alles, was neu ist und möglichst kompliziert und (un)praktisch.
Ich war damals, in den »Kindertagen« des Hexers, nicht nur bereits zuverlässiger Dosenöffner für ungefähr sechs Katzen, sondern auch einer der ersten Autoren des Bastei-Verlages, die ihre Texte auf einem Computer erstellten. Damals hießen die Dinger noch [{(Home-Computer)}] Homecomputer, waren ungefähr so groß wie ein Kühlschrank und hatten nicht ganz so viel Rechenkapazität wie die Fernbedienung des DVD-Players, den ich mir gerade zugelegt habe. Dafür kosteten sie aber so viel wie ein mittlerer Gebrauchtwagen. (Bevor ihr jetzt lacht, das ist grade mal 20 Jahre her. Die Zeit vergeht ganz schön schnell.)
Selbstredend gab es keine Disketten (das Wort CD stand damals allerhöchstens auf Seife, aber nicht mal im Duden), sondern die Programme und Texte kamen von stinknormalen Audiocassetten, was die Lade- und Speicherzeiten ungemein praktisch machte. Bis WordStar geladen war, konnte man in Ruhe duschen gehen, und zwischendurch mal eben eine Sicherheitskopie zu machen, reichte locker für eine Portion Spiegeleier mit Speck – um sie zuzubereiten …
Trotzdem ließ ich mich nicht davon abbringen, schon die ersten Hexer-Manuskripte auf meinem nagelneuen Tandy-Computer (der erste Laptop – 27 kg schwer!) anzufertigen. Das dauerte zwar länger als auf einer Schreibmaschine und war nicht annähernd so zuverlässig, aber was soll's. Man geht ja mit der Zeit.
Und an dieser Stelle kam die Katze ins Spiel.
Hexie war eine echte, reinrassige ägyptische Falbkatze. Für die zwei oder drei Leser, die nicht wissen, was das ist: Das sind diese zerbrechlichen kleinen Kätzchen, die nur aus Ohren und Schwanz zu bestehen scheinen und immer so aussehen, als stünden sie kurz vor dem Hungertod, auch wenn sie sich gerade drei Dosen Kitekat reingezogen haben, kaum drei Pfund schwer und mit Beinchen wie Streichhölzer. Für das, was gleich kommt, ist das wichtig.
Noch ein Detail hätte ich fast vergessen. Auch damals hatten Computer schon eine Reset-Taste. Praktischerweise war sie in der Tastatur untergebracht, aber damit man nicht versehentlich darankommt, war sie erstens rot und zweitens versenkt, ein unabsichtliches Betätigen also (fast) ausgeschlossen.
Außer, man ist eine ägyptische Hungerleider-Katze mit ganz extrem dürren Pfoten …
Ich hatte also innerhalb von drei Tagen (damals mein persönlicher Rekord, aber den sollte ich schon binnen 24 Stunden überbieten) den fälligen Hexer-Roman in meinen Computer gehackt. Es war irgendwann zwischen 3 und 4 Uhr morgens, meine Frau döste langsam auf der Couch hinter mir ein, und ich hatte (natürlich) die letzten 30 Seiten nicht gespeichert. Wozu auch? Ich war am letzten Kapitel, noch eine gute halbe Stunde, und es war geschafft. Da kam mir die verhängnisvolle Idee, vor dem »Endspurt« noch eine Tasse Kaffee zu trinken.
Ich stand also auf und schlurfte in Richtung Küche. Hexie hatte die ganze Zeit auf meinem Schoß geschlafen und war nicht erbaut über die Störung, und meine Frau murmelte verschlafen irgend etwas von wegen »speichern« und »sicher gehen« oder so. Was für ein Unsinn. Was verstehen Frauen denn bitteschön von Computern?
Selbstredend ignorierte ich Heikes gute Ratschläge ebenso wie Hexies vorwurfsvolle Blicke, schlappte in die Küche und gönnte mir meinen wohlverdienten Kaffee.
Und kam gerade rechtzeitig zurück, um zu sehen, wie sich Hexie gähnend auf die Tastatur meines Computers fläzte. Nun wurde mir doch etwas anders. Und an dem, was danach kam, war ich eindeutig selbst Schuld: Statt zu tun, was jeder, der Katzen kennt und seine fünf Sinne beisammen
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