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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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für die Dinge. Es war, als sähe er sie zum ersten Mal, die verzogenen Bohlen und die Nägelköpfe auf der Veranda, die Spinnennetze an den alten Pfosten.
    Die Vordertür und das linke Fenster waren immer abgeschlossen, aber sein Schlafzimmerfenster stand meistens offen.
    Er entfernte das Fliegengitter und zog an der unteren Scheibe, immer auf Schüsse aus der Obstplantage gefaßt. Das Fenster widerstand ihm, es hatte sich in dem alten, durch Feuchtigkeit verzogenen Rahmen verkantet. Plötzlich protestierte es wie ein aufgeschreckter Vogel und bewegte sich. Wyatt kletterte über den Sims und in das Zimmer. Das Fenster explodierte, bedeckte ihn mit Scherben und Glassplittern. Er rollte sich hinüber zum Bett und wollte nach seiner .38er greifen.
    Und wurde bewußtlos.
    Als er die Augen öffnete, fühlte er sich schwerelos. Er wußte nicht, ob er für Sekunden oder Minuten weggetreten war. Die Welt kippte nach rechts und links.
    Er wartete.
    Als er wieder klar war, griff er unter das Bett und fand die .38er. Sie in den Händen zu halten gab ihm Sicherheit. Sie hatte nur fünf Kammern, konnte nicht so viele Kugeln aufnehmen wie das Magazin seiner Browning Automatik – aber eine Automatik konnte schneller blockieren, und das Magazin konnte klemmen, wenn man nachladen wollte. Er hatte an der .38er einen dicken Kautschukgriff angebracht. Die Metalloberfläche und die beweglichen Teile waren mit einer schützenden Schicht Öl überzogen, und die Front war abgerundet, so daß sie weder im Halfter noch in seiner Kleidung hängen blieb. Die Waffe schien in seiner Hand zu rutschen.
    Er entsicherte sie, rannte durch die Waschküche zur Hinterseite des Hauses. Hier stand ein schmaler Besenschrank, in dem alte Hüte, Mäntel, Stiefel und Schuhe aufbewahrt wurden. Er wählte eine grüne, wattierte, wasserdichte Jacke mit Kapuze, streifte die vollgesogenen Hausschuhe ab, zog leichte, feste Stiefel an. Unter einem losen Holzbrett im Boden lagen verschiedene Schachteln mit Munition. Er öffnete eine Schachtel und schüttelte ein Dutzend Patronen in seine Tasche.
    Jetzt würde er sich Sugarfoot holen. Wenn er erst einmal draußen in Deckung war, würde er im Vorteil sein. Sugarfoots Gewehr war auf große Entfernungen unschlagbar treffsicher und genau, aber ungeeignet für Schnellschüsse und für die Nahdistanz zwischen Bäumen und Unterholz unbrauchbar. Es sei denn, Sugarfoot hätte noch eine Pistole bei sich. Damit rechnete Wyatt.
    Wieder pfiff eine Kugel ins Schlafzimmer. Sugarfoot hielt sich immer noch in der Obstplantage auf, ließ Wyatt wissen, daß er noch da war. Er hatte freie Sicht auf die gesamte Nordseite des Hauses und würde bemerken, wenn Wyatt das Haus durch die Vorder- oder Hintertür verließ.
    Wyatt ging ins Badezimmer. Es lag nach Süden. Er öffnete das Fenster über der Badewanne, riß das Fliegengitter heraus und kletterte hinaus. Er bewegte sich langsam, schonte die Kräfte.
    Das mit Buschwerk bewachsene Land auf der Südseite fiel etwas ab, davor standen Brombeersträucher. In der Entfernung sah man Shoreham, dann die See, über der sich schwarze und graue Wolken zusammenballten, bevor sie über die Küste zogen. Die Rast in seinem Haus hatte Wyatt gut getan. Erst jetzt bemerkte er, wie kalt und feucht der Tag war.
    Ein überwucherter Pfad wand sich durch das Brombeerdickicht. Wyatt ging langsam, Dornen stachen durch seine Kleidung, rissen seine Haut auf. An der Stelle, wo die Brombeeren mit dem Gebüsch zusammentrafen, schlug er sich einen Weg hindurch, bog Äste, Zweige und Blätter beiseite.
    Am untersten Ende des Buschwerks brach er aus der Deckung und rannte gebückt bis zum Rand des Kiefernwaldes. Bevor er sich zu weit in die Mitte vorarbeitete, blieb er stehen. Sugarfoot konnte sich wieder zwischen den Kiefern befinden. Die Bäume waren hoch, in engen Reihen gepflanzt, die oberen Äste ragten ineinander, sperrten das magere Winterlicht aus. Unterholz gab es nicht, nur vereinzelt einige Äste. Kiefernnadeln bedeckten den Boden wie einen Teppich. Man konnte sich hier fast ungesehen und ungehört bewegen.
    Wyatt lehnte an einem der größeren Bäume, die .38er mit gespanntem Hahn in der Hand, horchte, gewöhnte sich an die düstere, harzige Atmosphäre.
    Es war Mittag geworden. Bald würden die Leute aus der Kirche kommen. Wenn sie Gelegenheit gehabt hatten, über die Gewehrschüsse zu sprechen, die früher am Vormittag zu hören waren, würden sie jetzt vielleicht entscheiden, etwas dagegen zu

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