Gilde der Jäger 02 - Engelszorn
vor ihr aufgetan hatte, und kehrte in die Gegenwart zurück.
Vor ihr, direkt neben Lijuan, stand der Widerling Slater Patalis.
Der Ausschnitt seines T-Shirts zeigte deutlich, dass seine Haut glatt und makellos war – von der hässlichen Y-förmigen Narbe, die ihm der Pathologe der Gilde bei der Autopsie beigebracht hatte, war nichts mehr zu sehen. Immer wieder hatte sich Elena das Video angesehen, bis sie sich davon überzeugt hatte, dass Patalis wirklich tot war. Für das, was er ihr genommen hatte, war sein Tod eine viel zu milde Strafe gewesen, aber immerhin war es eine Strafe. Lijuan hatte kein Recht, das ungeschehen zu machen, kein Recht, aus dem Tod ihrer Schwestern einen Zeitvertreib zu machen.
Wut stieg in ihr auf, rein und klar. Noch nie im Leben hatte Elena eine solche Wut verspürt. Das Monster stand grinsend vor ihr, während ihre Schwestern unter der Erde lagen und ihre tote Mutter nur noch als ein leise sich im Wind bewegender Schatten in den Katakomben ihrer Erinnerung weiterlebte.
Trauer und Schmerz hatten sie hart gemacht. »Aodhan, würde es Ihnen etwas ausmachen, kurz niederzuknien?«, fragte Elena. Sie war überzeugt davon, dass Lijuan ihre Absicht nicht erahnen würde, ihr eine Tat wie diese nicht zutrauen würde.
Anmutig kniete der Engel nieder, neigte den Kopf … ermöglichte es ihr, eines der Schwerter zu ziehen, die eng an seinem Rücken lagen. Elena zog eine der tödlich scharfen Klingen aus der Scheide und schlug Slater Patalis mit einem einzigen Streich den grinsenden Kopf ab – der Kummer so vieler Jahre hatte ihr ungeahnte Kräfte verliehen.
Eine Fontäne aus Blut traf sie ins Gesicht, färbte die Kirschblüten schwarz, sie aber stieß ihm noch einmal das Schwert ins Herz, zermalmte es. Als sie die glänzend rote Klinge herauszog, fiel der zuckende Körper zu Boden. »Wird sie ihn aus diesem Zustand wiedererwecken können?«, fragte sie Raphael. Dabei verriet ihre Stimme nicht die geringste Gefühlsregung. Slater verdiente kein Mitgefühl, das Einzige, was er verdiente, war der Tod.
»Vielleicht.« Ein blauer Feuerreif tanzte in Raphaels Hand. »Aber hiermit müsste sein Tod endgültig sein.«
Und von dem schrecklichsten Vampirmörder aller Zeiten blieb nichts weiter übrig als ein Häufchen dunkler grauer Asche.
Alles hatte nur Sekunden gedauert. Immer noch mit dem Schwert in der Hand sah Elena Lijuan an. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte sie in die Stille hinein, »aber das Geschenk hat mir nicht gefallen.«
Gespenstisch flatterte das Haar des chinesischen Erzengels, als er vortrat, nur durch Slaters Überreste von Elena getrennt. »Du hast mir den Spaß verdorben.«
»Wenn der Tod das Einzige ist, was dir noch Freude macht, solltest du dich vielleicht aus der Welt der Lebenden zurückziehen«, sagte Raphael mit schneidender Stimme.
Lijuan sah ihn an, ihre Augen waren so blass, dass weder Iris noch Pupille zu erkennen waren, nur ein perlweißes Meer. »Nein, die Zeit des Schlafens ist für mich noch nicht gekommen.« Mit dem Handrücken strich sie dem dunkelhäutigen Wiedergeborenen über das Gesicht. »Adrian ist auch noch nicht bereit zu sterben.«
Macht erfüllte die Luft, bis Elena die Spannung auf der Haut spürte. Raphael begann zu leuchten, Aodhan erhob sich und zog das zweite Schwert aus der Scheide, Jason löste sich aus den Schatten, und sie wusste, dass dieser Kampf sie alle das Leben kosten konnte. Der Tod ist ein geringer Preis, um Lijuan Einhalt zu gebieten, Raphael.
Du bist so tapfer, meine Jägerin. Er küsste sie.
Nachdem sie Aodhan das Schwert zurückgegeben hatte, zog sie die Pistole. Zwar würde sie damit keinen Vampir ausschalten können, aber möglicherweise einen Engel, wenn auch nur für Sekundenbruchteile. Dann spürte sie zu Raphaels Rechter ein Aufflackern von Macht. Macht, die sie schon einmal gespürt hatte. Michaela. Stand neben Raphael.
Noch ein Aufflackern von Macht. Dann noch eins und noch eins und noch eins.
Elias, Titus, Charisemnon, Favashi, Astaad.
Was auch immer die Erzengel bewogen hatte, sich mit Raphael gegen Lijuan zu verbünden, ihre vereinte Macht verströmte eine Glut, die Elena aus dem Kreis gedrängt haben würde, hätte sie nicht zwischen Raphael und Aodhan gestanden.
Ein kalter, eiskalter Wind. Macht, unvorstellbare Macht. Gezeichnet vom Tod.
Lijuan lachte. »Ihr würdet euch also alle gegen mich stellen«, stellte sie vergnügt fest. »Ihr habt ja keine Ahnung, was ich bin.«
Lijuans Macht war kalt und
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