Perlen im Sand
Kapitel 1
Das kleine quadratische Kästchen war die erste direkte Kontaktaufnahme zwischen Jag Martin und seinem zukünftigen Ehemann.
Jag wog das Kästchen in seinen Händen, unsicher, ob er es öffnen sollte. Niemand hatte ihm gesagt, was er tun musste, sollte Brace Rivers ihm ein Geschenk schicken. Er vermutete, dass niemand daran gedacht hatte, es zu erwähnen, da so was vorher noch nie passiert war. Alle Nachrichten, alle Geschenke und jede persönliche Vorstellung wurden zwischen den Familien der Auserkorenen übermittelt und vorgenommen.
Hatten seine Eltern dieses kleine Kästchen gesehen? Wussten sie, wer es übergeben hatte? Es musste angekommen sein, als Jag im Badezimmer gewesen und die seltsamen Mischungen und Öle aufgetragen hatte, die Drake, der einzige Bedienstete der Familie, für ihn bereitgestellt hatte.
Dem Kästchen hatte keine Karte beigelegen, aber Jag wusste, dass das Geschenk von Rivers kam. Auf dem Kästchen prangte das traditionelle Zeichen eines Hochzeitsgeschenks – zwei violette Ranken, die ineinander verschlungen der roten Sonne entgegen wuchsen.
Das Zeichen hatte sich in den letzten Gezeitenperioden in sein Leben geschlichen, indem es auf Verträgen, Geschenken und Kleidung erschienen war. Seine Mutter hatte sogar einen großen Wandteppich, bestickt mit den Ranken, ausgeliehen und in dem Zimmer aufgehängt, in dem die beiden Zeremonien stattfinden würden.
Sollte er auch ein Geschenk zu dem anderen Mann schmuggeln? Er sah sich in seinem kleinen Schlafzimmer um – er hatte nichts zu verschenken. Sein ihm zugedachter Ehemann musste das wissen. Die derzeitige, bescheidene Situation seiner Familie war kein Geheimnis. Anderenfalls hätte man sie nicht miteinander verlobt.
Vielleicht hatte seine Mutter das Geschenk erwähnt, bevor sie am Nachmittag gegangen war, um die erste Zeremonie zu beaufsichtigen, aber er musste sich so viele Dinge merken, dass er es möglicherweise einfach überhört hatte.
Er löste das tiefviolette Band und zog es langsam von dem Kästchen. Jag wusste nicht, aus welchem teuren Material das Band bestand, aber es fühlte sich wie der Stoff eines feinen Mantels oder einer schweren Decke an und nicht wie das einfache Geschenkband auf einem kleinen Kästchen.
Jag hatte beinahe Angst davor, zu erfahren, was sich im Innern befand. In den letzten zwei Monaten war sein Magen in Aufruhr gewesen und nun zog sich alles in ihm so fest zusammen, dass er kaum atmen konnte. Er sah sich im Raum um und erwartete förmlich, dass jemand durch die Tür stürmen und ihm das Geschenk wegnehmen würde. Aber niemand platzte herein. Und niemand beobachtete ihn durch das Fenster.
Jag hielt das Kästchen ins Licht und sein Gesicht wurde vor Freude und Überraschung ganz heiß. Der gelbe Schein der Lampe über ihm wurde von einer perfekt schwarzen, perfekt runden, perfekt glatten Perle reflektiert, die auf einem feinen silbernen Ring balancierte.
Perlen hatten beinahe etwas Mythisches. Er hatte noch nie von einer Perle auf der Halbinsel Timotai gehört. Es gab dutzende Geschichten über den Mangel an Perlen in den fischreichen Gewässern um die Halbinsel, darunter auch uralte Flüche und blutige Stammesfehden, aber jede Erzählung endete mit dem Verschwinden der Perlen.
Er nahm den Ring zwischen Daumen und Zeigefinger und hob ihn vorsichtig aus dem Kästchen, um ihn genauer zu betrachten. Kunstvolle Verzierungen zogen sich über den silbernen Reif. Erst nach einem genaueren Blick erkannte er das Muster. Das Zeichen des Hauses Rivers. Das Zeichen seines neuen Zuhauses.
Jag steckte ihn sich auf den rechten Ringfinger. Er passte wie angegossen. Er musterte das elegante Schmuckstück und seine Handgelenke kribbelten vor Aufregung.
Eine Perle dieser Größe und ohne sichtbare Makel war wortwörtlich ein Vermögen wert. Jag stellte sich vor, wie er seine Mutter zu sich rief und ihr den Ring zeigte.
Hier Mutter , würde er sagen, verkauf den, zahl deine Schulden zurück und kauf mir mit dem Rest meine Freiheit zurück. Dann kann ich hier bleiben.
Die erste Zeremonie hatte bereits begonnen, als die Eltern der Braut – in diesem Fall Jag – für ihn gebürgt und sich mit dem neuen Bräutigam um die rechtlichen Dinge gekümmert hatten. In dem großen Raum mit dem neuen Wandteppich hatten seine Eltern Versprechen gegeben, Verträge unterzeichnet und Geld ausgetauscht.
Es war bereits zu spät, um alles abzusagen. Auch wenn Brace Rivers ihm das Einzige
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