Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Band 3
Vom Netzwerk:
vergrub ihr Gesicht an Miss Scrattons Schulter.
    »Es war Sarahs Zeit«, flüsterte Miss Scratton und umklammerte Helens Hand, »aber auch deine Zeit wird kommen, dein Schicksal ist nah, und deine Gabe ist die mächtigste von allen. Du trägst das Mal. Das Zeichen des großen Siegels.« Sie flüsterte Helen etwas ins Ohr, dann wandte sie sich wieder an uns alle und versuchte lauter zu sprechen.
    »Ihr alle seid Teil eines ewigen Tanzes, Gut und Böse, Tag und Nacht, Hoffnung und Verzweiflung. Sie werden versuchen, euch zu zerstören, Wyldcliffe zu zerstören. Aber das Geheimnis … das Geheimnis der Schlüssel naht. Seid bereit … seid bereit, wenn er kommt … der Tanz … ich werde euch finden.«
    Dann schlossen sich ihre Augen, und sie sank gegen Cal. Ein sanftes Licht schien sie einzuhüllen. Dann verließ das Leben ihren Körper, und das Licht verlosch. Helen wandte sich ab und verbarg ihr Gesicht in den Händen, Evie weinte und presste sich eng an Josh. Alles war so still, als ob die Welt aufgehört hätte, sich zu drehen.
    Der Ärmel von Miss Scrattons Kleid war nach oben gerutscht. Ich streckte meine Hand aus, um ihn zurechtzurücken, und bemerkte dabei ein seltsames Zeichen auf ihrem Arm. Es war ein Kreis, der den Umriss eines Vogels umschloss. Vielleicht waren es auch zwei Flügel. Oder zwei gekreuzte Dolchklingen. Das Zeichen des großen Siegels. Ich zog den Ärmel hinunter und schwieg. Erklärungen mussten warten; jetzt war die Zeit der Trauer.
    Wir warteten, bis die fahle Sonne den klaren Himmel eroberte, dann erhoben wir uns. Wir hatten genug geweint, aber unsere Herzen waren immer noch schwer. Als die Sonne heller schien, löste sich Miss Scrattons Körper in einen goldenen Nebel auf. Sie war verschwunden.
    Langsam und widerwillig verließen wir den Steinkreis und gingen den Ridge herunter. Eine verschleierte Gestalt, die vor uns im Gras kauerte, stand auf und rannte in Richtung Schule.
    »Wer war das?«, fragte Evie.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Cal, der schützend in meiner Nähe stand, »eine der Frauen des Zirkels, nehme ich an, die gelauscht hat. Jetzt ist sie jedenfalls weg. Wir können nichts mehr ändern.«
    Aber ich hatte diese Augen unter dem Schleier schon einmal gesehen. Es war keine Dunkle Schwester gewesen, die uns belauscht hatte. Es war etwas ganz anderes gewesen – ein Prüfstein. Velvet Romaine. Das hatte ich nicht erwartet. Nicht hier. Nicht jetzt.
    »Ich hoffe, es war nicht Miss Dalrymple«, sagte Evie und schauderte.
    »Keine Angst«, beruhigte Helen, »wir sind zu viert, und sie ist allein.«
    »Vier?«, fragte Josh.
    »Evie, Sarah, ich und Agnes natürlich«, antwortete Helen.
    »Meinst du nicht eher sechs? Cal und ich sind auch noch da.« Josh drehte sich zu Evie um. »Jedenfalls, wenn du immer noch willst, dass wir dabei sind. Willst du das?« Seine Augen baten um mehr, als er mit Worten sagte.
    »Ja, ich möchte, dass du bleibst, Josh«, antwortete Evie, »das weißt du.«
    Er sah sie dankbar an und legte den Arm um ihre Schultern. Dann gingen sie vor uns im goldenen Sonnenlicht den Hügel hinab.
    »Alles wird gut, und alle Dinge werden gut«, murmelte Helen. Dann sah sie zu Cal und mir.
    »Vergesst nicht: Haltet euch an das Greifbare, an das Reale wie ein Stein in eurer Tasche.«
    »Für alle Ewigkeit«, antwortete ich. Helen nickte und folgte Evie und Josh, Cal und ich blieben etwas zurück. Ein letztes Mal blickte ich mich zum Steinkreis um, der im hellen Morgenlicht leuchtete. Eines Tages, versprach ich mir selbst, eines Tages würde ich Miss Scrattons wahren Namen kennen. Und eines Tages würde ich sie wiedersehen.

Einunddreißig
    E s ist so schade um Miss Scratton«, sagte Sophie bedauernd, »sie war ziemlich streng, klar, aber immer gerecht. Und sie war die Lehrerin meiner Mutter, als sie vor vielen Jahren in Wyldcliffe war. Es ist wirklich traurig.«
    Ich warf einen kurzen Blick auf die Schlagzeile der Zeitung in Sophies Hand. Sie schien sich von der Aufregung um Helens Unfall und dem Chaos mit Velvet erholt zu haben. Ich hatte in den aufreibenden Tagen nach der Nachricht über Miss Scrattons »Unfalltod« alles versucht, um sie zu trösten. Die gute alte Sarah, die sich um alle kümmerte, besonders um die Schwachen.
    Nein, das stimmte nicht, zumindest nicht mehr. Ich war nett zu Sophie, weil ich sie mochte, und nicht, weil ich das Bedürfnis hatte, alle Menschen um mich herum zu bemuttern. Ich hatte mich verändert, hatte gelernt, dass ich nicht immer und für

Weitere Kostenlose Bücher