Girls Game
notwendigen 27 Ausrufezeichen und sehe an meinem geistigen Auge Heerscharen gepeinigter Frauen vorüberwanken, gedanklich ausgezehrt, tatsächlich pölsterchenbepackt, gebeugt von der Gram grausiger Diäten, gepiesackt von der unbarmherzigen Kollegenschar der Schreiberlinge, die nimmermüde gnadenlose Abspeckprozeduren unters willige Weibervolk schmiert: „Die Fünf-Minuten-Superschnell-Diät“, „Sofort abnehmen mit Wem-auch-immer“. Runter mit den Pfunden und rauf mit der Auflage. Ein seit Jahrzehnten bewährtes Erfolgsrezept. Und schon deshalb ein dickes, grosses, fettes, übergewichtiges Problem.
Hatte ich nie. Wirklich! Irgendeine gnädige Gottheit hat mich in einem unerwarteten Anfall von Güte mit Genen gesegnet, die auf wundersame Weise gewaltige Mengen köstlicher Nahrung vertilgen können. Und sie genauso wundersam wieder loswerden. Problemlos. War schon immer so. So stand ich jahrzehntelang verständnislos vor den Verrenkungen verschiedenster Freundinnen, mit denen sie Unterschiedlichstes wieder abzuschütteln suchten: kiloschwere Geschenke zu Weihnachten (alle Jahre wieder), die Urlaubsgrüsse aus feinen und fernen Restaurants (sehr beliebt), den Kummerspeck nach herben Enttäuschungen (oft aufgrund genau desselben). Ein ewiges Auf und Ab. Begleitet von unzähligen, mehrstimmigen Klageliedern, die ich durch langes, tiefempfundenes Mitgefühl inzwischen notentreu mitsingen kann. Alle. Von Atkins bis Zwetschgendiät.
Nachfühlen? Kein bisschen. Genau das werde ich jetzt ändern. Schliesslich hatte auch Robert de Niro in seiner ersten Rolle als Boxer nicht nur einen echten Hieb kassiert, um sich wirklich „einzufühlen“. Und die unvergessene Liz Taylor nahm einmal gleich hundert Pfund zu… ich kann mich nur nicht mehr an die dazu gehörende Rolle erinnern.
Also flugs Grenzwerte ermittelt: Startgewicht 93,5 Kilo, verteilt auf 194 Zentimeter männliche Unwissenheit, wo schon demnächst weniger mehr sein soll. Und die felsenfeste Überzeugung, es ausschliesslich mit der hehren Kraft der Gedanken zu schaffen. Nichts da mit chemischen oder naturhölzernen Keulen, weder gefuttert noch geschwungen! Sport kann schliesslich jeder.
Mein Herausforderer würde ein proppenvoller Kühlschrank sein, hämisch grinsend vor sich hin brummend, kalorienschwanger, ungeschützt, unverschlossen, gefüllt mit allem, was mein Feinschmeckerherz erfreut und die Gier nach Genuss befriedigt.
Keine halben Sachen.
Crème double statt geschmacksreduziert.
Zehn Kilo sollen trotzdem runter. Möglichst zügig, aber auch nachhaltig. Eine wirklich knochenharte Herausforderung für einen Genussmenschen mit Kochhobby. Hunderte von leckeren Kochrezepten im Hirn, Tausende in gesammelten Kochbüchern und die Gewissheit, dass mich meine Liebe zu feinem Essen wohl frühzeitig in den Wahnsinn treiben würde. Hätte das Robert de Niro abgehalten? Liz Taylor gar? Ganz offensichtlich nicht. Also los! Wahnsinn!
Natürlich ist das viel leichter gesagt, als durchgehalten. Oder geschrieben. Viel, viel leichter. Frauen wissen das. Ich jetzt auch. Denn während diese Zeilen bleischwer in die Maschine tropfen, trällern in der Küche alle notwendigen Zutaten für ein prächtiges Dreigängemenü vor sich hin. Ungefährdet. Noch. Schliesslich ist mein Entschluss erst knappe zwei Wochen alt, die ersten vier Kilo sind weg. Genauso wie meine guten Vorsätze.
Spurlos verschwunden in diesem unbekannten, riesigen Landstrich, der mit guten Vorsätzen dreilagig gepflastert sein muss. Durchgängig. Fugenlos. Weil sie alle irgendwann dort enden. Meine auch. Ich meine… also wer, bitteschön, lässt zartes Schweinefilet einfach so verenden? Ohne es unter eine wohlschmeckende Kräuterkruste gepackt und mit ein bisschen Pommes Dauphines in ansprechender Gesellschaft einer fast süssen, schweren Rotweinsauce nebst funkelndem Jahrgangs-Ursprung im Kristallglas… also wer liesse sich das wirklich entgehen? Man müsste bescheuert sein. Oder Moslem. Oder beides. Oder unglaublich entschlossen, es sich und allen zu zeigen. Dass es doch geht. Der leckersten Versuchung mannhaft zu wiederstehen, nur um meinem, wirklich kaum sichtbaren Fettrand auf der Bauchseite den Garaus zu machen. Ohne ihn in die Pfanne zu hauen… Bauchseite voran.
Klappt einfach nicht. Keine Chance. Auch nicht die geringste. Gegen Röstaromen an Rotweinsauce ist kein Kraut gewachsen, das man nicht auch als Gewürz verwenden könnte. Ich hab‘s getan. Ich gestehe. Genossen, verputzt,
Weitere Kostenlose Bücher