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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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und dann …«
    Er drehte sich weiter Richtung Norden.
    »Ja, und dann noch diese markanten Türme hier, das sind die Berge
der Geislergruppe. Ich kann Ihnen wirklich nicht sagen, wie die im Einzelnen
heißen. Nur der eine dort drüben, der mit dem etwas runderen Gipfel, das ist
der Sass Rigais. Ein Dreitausender. Ich war mal oben. Weiß es aber allein schon
deshalb, weil Messner darüber geschrieben hat: Es soll sein erster
Dreitausender gewesen sein, man stelle sich vor, im Alter von fünf oder sechs
Jahren.«
    Der Mann besah sich alles. Er stand jetzt neben Hellwage und biss in
einen Apfel. Der Saft rann dem Mann übers Kinn.
    »Ich kann Namen merken, Namen und Gesichter«, sagte der Mann. »Berge
kann ich nicht merken. Zehn Minuten, und ich weiß nicht von einem mehr, wie
heißt.«
    Hellwage wollte kein Gespräch. Es interessierte ihn kein bisschen,
ob dieser Mann sich Berge merken konnte oder nicht. Er wollte seine Ruhe haben,
war nicht auf Gesellschaft aus und schon gar nicht auf die – von diesem Mann
mit seinem Apfel ging etwas Unbehagliches aus. Er versuchte, dieses Gefühl zu
verscheuchen, so wie er zuvor am Weg versucht hatte, die Ahnung des
Nicht-allein-Seins davonzujagen.
    Doch sein Gegenüber hatte wohl nichts gegen Gesellschaft; im
Gegenteil. Der Mann schien das Gespräch zu suchen, froh, jemanden zu haben, der
ihm zuhören musste.
    Es kommt mir vor, als hätte der Typ auf mich gewartet, dachte
Hellwage. Als wäre er nur hier … Er zögerte, misstraute seinen Gedanken, seinem
Vorurteil. Aber da ließ sich nichts aufhalten. Als wäre er nur hier, dachte er
weiter, weil ich hier bin … Doch wozu? … Was soll das?
    »Sie zum Beispiel kenn ich«, sagte der Mann.
    Hellwage erschrak. Er kannte diesen Mann nicht, konnte sich
zumindest nicht daran erinnern, jemals mit ihm zu tun gehabt zu haben.
    Was wollte der von ihm?
    »Mich?«, fragte er. »Ich wüsste nicht –«
    »Doch, doch«, sagte der Mann. »Aus Innsbruck. Waren lange der Chef
von Zeitung. Stimmt?«
    Hellwage war dieser Mann überhaupt nicht geheuer. Üblicherweise ging
es bei Gesprächen in den Bergen um das Woher und Wohin, um das Wetter und um
Touren, die man gemacht hatte oder die man noch machen wollte. Man fragte nicht
danach, um wen es sich beim Gegenüber handelte. Zumindest nicht gleich. Dazu
musste man schon erst ein Stück Weg zusammen gegangen sein oder sich auf einer
Hütte näher kennengelernt haben.
    Es blieb ihm nichts übrig, als zustimmend zu nicken.
    »Ist aber schon eine ganze Weile her«, sagte er. »Bin im Ruhestand.
Vielleicht sind wir uns ja mal irgendwo in den Bergen begegnet«, fügte er
hinzu, ohne diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Er hatte schon
von Berufs wegen immer ein gutes Personengedächtnis gehabt. Jetzt war er
ziemlich sicher, diesem Mann noch nie begegnet zu sein.
    Er spürte, wie sich sein Magen verkrampfte und die
Schultermuskulatur anspannte. Wie oft war er während seiner langen Berufslaufbahn
in die Schusslinie von Politikern, Stars und Juristen geraten, die ihm wegen
einer ihnen unliebsamen Story ans Bein hatten pinkeln wollen. Mit der Zeit
waren ihm solche Situationen zur Routine geworden, unerfreuliche
Begleiterscheinungen seines Jobs. Er war mit den Jahren gewissermaßen
abgehärtet, doch gänzlich unempfindlich zu werden, das war ihm nie gelungen.
Solche Dinge hatten stets an der Schutzschicht seiner Nerven gekratzt, hatten
muskuläre Verspannungen und des Öfteren auch Migräne-Attacken ausgelöst.
    Was wollte dieser Mann von ihm? Ihm ans Bein pissen wie die anderen
alle?
    Er kniff die Augen ein wenig zusammen – seine übliche Reaktion auf
besondere Herausforderungen: genauer sehen, besser wahrnehmen, sich nicht die
geringste Kleinigkeit entgehen lassen.
    »Ruhestand«, sagte der Mann und grinste dabei. »Ruhestand also.
Beruf an Nagel gehängt. Arbeit fertig. Gut Geld gemacht, jetzt alles hinter
sich lassen. Stimmt?«
    Hellwage fiel auf, dass der Mann seine Ausführungen zum wiederholten
Mal mit der Frage »Stimmt?« beschloss – und es ging ihm auf die Nerven.
    »Wenn Sie so wollen«, sagte er. »Ja, alles an den Nagel gehängt. Sie
haben recht, ich war Journalist, Redakteur. Und lange Chefredakteur beim
›Tiroler Stern‹. Ein Beruf, der zehrt und der zermürbt. Ich war froh, es bis in
den Ruhestand geschafft zu haben. Nicht wenige Kollegen sind viel zu früh
gestorben. Herz oder Krebs …«
    »Jaja, Tod«, sagte der Mann. »Tod ist schlimm.«
    Er stand neben Hellwage und

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