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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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winkelte die Beine an
und streckte sie dann durch, und diese Bewegung schob ihn wieder eine Handbreit
weiter in Richtung Tisch. Die Brust schmerzte ihn dabei so sehr, dass er immer
wieder aufschrie. Nicht sehr laut, aber doch aus der Tiefe seines Körpers und
seiner Seele.
    Noch waren es eineinhalb Meter bis zum Tisch, als er wieder die
Stimme des Mannes hörte: »Meinst du, ich kann ewig warten? Wenn du mit mir
reden willst, musst dich eilen, verstehst du? Und wenn du Bier willst …«
    Er hob seine Flasche, winkte damit in Richtung Hellwage, als würde
er ihm zuprosten, und nahm einen langen Schluck.
    »Weißt, was Problem ist?«, fragte er und stieß einen kräftigen
Rülpser auf. »Problem ist, dass da herin stinkt wie Schweinestall. Schmeckt einem
Essen nicht mehr. Ich geh raus.«
    Er stand auf, ging um den Tisch, stieg mit großem Schritt über den
im Weg liegenden Hellwage und ging hinaus. In den Sekunden, da die Tür geöffnet
war, konnte Hellwage sehen, dass der Himmel schwarz, dass Abend oder Nacht war.
    Wäre es hell gewesen, hätte ihm das einen kleinen Trost gewährt. Die
Nachtschwärze draußen gab ihm aber endgültig das Gefühl, lebend begraben zu
sein.
    Er lag auf dem Boden und weinte. Er schluchzte, und es schüttelte
ihn. Das Schütteln aber war unerträglich – seine gebrochenen Rippen reagierten
absolut hysterisch. Hellwage zwang sich, weiterzukriechen.
    Wenn ich nichts tue, bin ich verloren, dachte er. Wenn ich etwas
tue, bin ich es wahrscheinlich auch. Aber aktiv zu werden ist allemal besser,
als hier am Boden zu liegen und allmählich zu verenden.
    Von draußen waren die Schritte des Mannes zu hören. Manchmal ging er
auf und ab, dann wieder war Stille.
    Er macht jetzt viele Spuren in der Erde, die ich ausgestreut habe,
dachte Hellwage. Ganz viele Spuren.
    Mit den Händen konnte er jetzt eines der schweren hölzernen
Tischbeine fassen. Er verschnaufte, wissend, dass noch alle Kraft nötig wäre,
ganz heranzukommen an den Tisch. Und noch schwieriger würde es sein, sich dann
irgendwie hinaufzuziehen, um an das Bier zu gelangen.
    Zentimeter um Zentimeter um Zentimeter arbeitete sich Hellwage ganz
an den Tisch heran. An der weiß gekalkten Wand, wo auch der Stuhl stand,
versuchte er, sich in eine Sitzposition zu bringen. Erst drückte er den Kopf
dagegen, schob mit den Füßen, schaffte es, die Schulter an die nackte Wand zu
pressen. Doch um welchen Preis! Die Schmerzen in der Brust steigerten sich, was
Hellwage zuvor gar nicht mehr für möglich gehalten hätte. Doch es war möglich …
    Vor Schmerzen schreiend richtete er sich auf. Er brauchte dazu jeden
noch halbwegs intakten Muskel in seinem Körper. Die überdehnten Arme waren ihm
keine große Hilfe, in seinem Oberkörper tobte ein Inferno, in seinem Kopf hatte
sich ein diffuser, beinahe Übelkeit bereitender Schmerz ausgebreitet, und sein
Rücken, seine Schulterpartie, der Nacken waren so stark lädiert, dass er sie
schon gar nicht mehr wahrnahm.
    Halb sitzend, halb in verbogener Stellung an die Wand gelehnt, sah
er an sich hinab. Er sah seine Schlafanzughose, an den Beinen schmutzig von
Erde und Gras und wahrscheinlich auch vom Herumkriechen auf dem Boden. Die Hose
hing nass und schwer in seinem Schritt. Urin und Kot hatten bis zu den Knien
hinunter Spuren hinterlassen. In seinem Kampf um etwas Trinkbares hatte er
vergessen und nicht mehr gespürt, dass er eine volle Hose hatte.
    Jetzt sah und spürte und roch er es auch wieder.
    In die Hose geschissen, dachte er. Ich hab mir in die Hose
geschissen und reingebrunzt. Er schämte sich, und ihn ekelte. Er merkte, dass
die Hose an seinem Hintern und an den Oberschenkeln klebte. Und dass seine
Genitalien aneinander und an der weichen Haut der Schenkel pappten. Ein
aufwallendes Übelkeitsgefühl unterdrückte er mit aller Willenskraft, die ihm
noch zur Verfügung stand. Es ging jetzt nicht um die Scheiße in seiner Hose, es
ging um die Scheiße, in der er unterzugehen drohte. Es ging, das wusste er, um
nichts anderes als ums Überleben.
    Der Schmerz, die Angst und die Verzweiflung lähmten ihn nicht. Sie
gaben ihm die Kraft, gegen sein ungewisses Schicksal anzukämpfen. So an die
Wand gekauert, erinnerte er sich eines Interviews, das er vor über zwanzig
Jahren mit einem Österreicher geführt hatte, der in Südfrankreich Kampfstiere
züchtete.
    Auf seine Frage nach den Tierschutzaspekten hatte der Mann – der
Name fiel ihm nicht mehr ein – eine ziemlich harte Aussage gemacht: »Kennen

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