Herrin wider Willen
1
Wind fuhr durch die Plane des Zeltes, und Ada schauderte auf ihrem Schemel. Sie hatte ihre Halskrause abgelegt, ihr Oberkleid und das Hüftpolsterkissen, und alles sorgsam auf die Reisetruhe drapiert. Ihr Unterkleid hatte sie so weit aufgebunden, dass man einen Schimmer ihrer üppigen Brüste sehen konnte. Zwei Stunden zuvor hatte sie beim Kloster Ebstorf einen Mann geheiratet, den sie bis zum Vortag noch nie gesehen hatte. Nun wartete sie auf ihre Hochzeitsnacht, während draußen ein verkommenes Heer aus marodierenden Soldaten, Halunken und Halsabschneidern tobte und lärmte.
Obwohl der Krieg nun schon fast so lange währte, wie Ada Jahre zählte, war es heute das erste Mal, dass sie ihn am eigenen Leibe spürte.
Wie sie frierend und verkrampft auf ihrem Schemel saß, konnte sie sich zwar an den Namen ihres Ehemannes erinnern, aber nicht mehr an sein Gesicht. Konstantin Lorenz Aegidius von der Wenthe. Sie hatte keine Muße gehabt, ihn genau zu betrachten. Es war eine merkwürdige Vorstellung, dass sie den Mann, mit dem sie gerade die Ehe geschlossen hatte, nächste Woche unter anderen Leuten vielleicht nicht wiedererkennen würde. Ada lächelte traurig, stand auf, streckte ihre steif gewordenen Glieder und rieb sich die Arme, um sich wieder munter zu machen.
Er hatte ihr gesagt, dass er den morgigen Tag wahrscheinlich nicht überleben werde, aber wegen einer Erbschafts- und Gewissenssache dringend Bedarf an einer Ehefrau habe, bevor er in die Schlacht zog. Dazu sei er von den Anführern des protestantischen Heeres, in das er ebenso wie sie unglücklicherweise geraten sei, unter Androhung von Gewalt gezwungen worden.
Die Zeltklappe wurde zurückgeschlagen, und sie sah zuerst die teuren, kniehohen Stulpenstiefel ihres Gatten, deren venezianische Spitzenzierde größtenteils in Fetzen hing, dann sein braunes Lederkoller. In der Hand hielt er einen breitkrempigen Hut. Wenn man von der Stiefel- und der Kragenspitze absah, war er recht schlicht gekleidet, aber was er trug, war von guter Qualität. Unter den Männern draußen gab es weit buntere Vögel. Närrisch geschlitzte Stoffe, Schleifen, Schärpen und Rosetten waren dieser Tage die gefragtesten Werke der Schneiderkunst.
Statt ganz hereinzukommen, wandte er sich noch einmal vom Eingang ab, weil sein Freund Christopher Carton von draußen rief.
»Lenz, ich habe einen.« Er drückte von der Wenthe etwas in die Hand, und der umarmte ihn wortlos dafür. Anschließend bückte er sich, kam herein und schloss die Zeltklappe hinter sich.
»Lenz?«, fragte Ada verblüfft. Er sah sie an und lachte kurz auf, was Ada noch mehr erstaunte. Bei ihren vorherigen Begegnungen hatte er nicht einmal das schwächste Lächeln gezeigt.
»Hat Euch nie jemand anders genannt als Konrade Christiana Henriette Lobeke oder von Bardeleben?«, fragte er.
Ada fühlte, wie sein Spott ihr die Hitze ins Gesicht trieb und ihr ins Bewusstsein rief, warum sie halb entkleidet vor ihm saß. »Schon. Aber das waren meine Brüder, und wir waren noch Kinder.«
»Christopher ist so gut wie mein Bruder. Er sagt ›Lenz‹, seit er sprechen kann.«
Ada räusperte sich. »Ich habe mich gefragt, wie ich Euch nennen soll.«
Sie wusste fast nichts von ihm, kannte ihn noch weniger, als sie ihren ersten Ehemann vor der Hochzeit gekannt hatte. Ihr Vater hatte damals ihre Ehe mit Dietrich von Bardeleben arrangiert, aber immerhin waren sie einander vorgestellt worden.
Seit drei Jahren war Dietrich nun im Krieg verschollen und kürzlich für tot erklärt worden.
Mit einem Seufzen nahm Lorenz von der Wenthe sich den breiten, ledernen Waffengurt von der Schulter und legte ihn zusammen mit seinem Hut am Kopfende der grob gezimmerten schmalen Bettstatt auf den Boden, den Degen griffbereit. Unter das Kissen schob er einen Dolch im Futteral. Bevor er sich ihr wieder zuwandte, presste er sich kurz die Handballen auf die Augen. »Ihr müsst bedenken, dass Ihr mich nicht lange irgendwie zu nennen braucht.«
Ada schluckte. Er kam ihr auf einmal besonders groß und fremd vor und, trotz seiner sanften Stimme, bedrohlich. Sie musste wenigstens ein kleines Maß an Vertrautheit schaffen. »Aber heute Nacht?«, fragte sie zaghaft.
»Wie haben Euch Eure Brüder genannt?«
»Ada.«
Er schnaubte amüsiert. »Da ich nicht sehr beredt bin, wäre ich dankbar für die Erlaubnis, Euch so kurz ansprechen zu dürfen. Mich mögt Ihr anreden, wie Ihr wollt, solange Ihr mich nicht Esel nennt. Obgleich das eine gewisse
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