Gletscherkalt - Alpen-Krimi
»Das haben wir auch ohne Anwalt schon erkannt«, sagte er lakonisch.
Reuss ging nicht darauf ein. An Hosp gewandt bat er um den Stand der Dinge. »Es
ist, glaube ich, an der Zeit, dass wir alle auf den gleichen Status quo
kommen.«
Was Hosp dann berichtete, erstaunte nicht nur Reuss, Marielle und
Pablo, die bislang am wenigsten in die Ermittlungen involviert waren, auch
Schwarzenbacher wurde mit spektakulären Neuigkeiten konfrontiert.
»Manczic ist weg.« Das war die erste.
»Manczic hat einen nicht unerheblichen Geldbetrag zur Verfügung« war
die zweite.
»Allmählich reimt sich alles für uns zusammen.« Das war die dritte.
Und es war jene, die für Schwarzenbacher noch erstaunlicher war als die
anderen.
»Red nicht um den heißen Brei«, maulte er. »Was ist mit Manczic? Was
heißt ›Er ist weg‹?«
Hosp nippte von seinem Großen Braunen, lehnte sich auf dem Stuhl
zurück und wischte sich mit einem altmodischen Stofftaschentuch über den Mund.
»Manczic ist deshalb weg, weil unsere Leute blöder sind als dieser
vertrottelte alte Mann, der allerdings, das muss ich schon dazusagen, weit
weniger vertrottelt ist, als er die Welt seit vielen Jahren glauben gemacht
hat.
Jedenfalls, unsere Leute haben nicht genug Verstand aufgebracht,
sich mit der Wohnanlage vertraut zu machen. Dabei hätten sie festgestellt, dass
der Fuchs nicht nur einen Vorderausgang kennt, sondern mindestens noch einen
Fluchtweg. Manczic ist weg, und wir haben im Moment keine Ahnung, wo er sich
aufhalten könnte.«
Pablo spürte, wie ein Grinsen in ihm aufstieg, und er hatte alle
Mühe, seine Schadenfreude zu verbergen. Es tat ihm gut, dass auch die Profis
Fehler machten, ihm im Versagen in nichts nachstanden.
Schwarzenbacher sah dies anders. Sein Gesichtsausdruck zeigte eine
Mischung aus Verärgerung und Resignation.
»Es gibt Fehler«, sagte er mürrisch, »die wohl jede
Polizistengeneration wieder macht. Unausrottbar …«
»Was können wir nun tun?«, warf Reuss ein, der ungewohnt nervös
wirkte und ständig seinen teuren Füllfederhalter in den Händen drehte.
Hosp versuchte die aufkeimende Aufregung zu dämpfen, machte mit
beiden Händen Bewegungen, als würde er einen aufsteigenden Luftballon federnd
flach halten wollen.
»Keine Frage: Da haben wir Mist gebaut. Aber etwas Gutes hatte es
dann auch. Wir haben uns Zugang zu Manczics Wohnung verschafft. Und das kann
ich euch sagen: Jetzt wissen wir mehr.«
Beinahe lautlos trat eine von Reuss’ Assistentinnen in das
Besprechungszimmer, ein iPhone in der Hand. Sie flüsterte dem Anwalt etwas ins
Ohr: »Nein … dringend … Ihre Frau …«, woraufhin sich Reuss entschuldigte,
aufstand und den Raum verließ.
»Sollen wir warten?«, fragte Hosp.
Schwarzenbacher schüttelte den Kopf. »Mach weiter!«, sagte er.
»Wir haben die Bude mal ein bisschen auf den Kopf gestellt«, fuhr
der Kommissar fort. »Was nicht schwierig war, weil dieser Manczic nicht allzu
viel besitzt. Das Inventar war ziemlich überschaubar. Aber es hat sich gelohnt,
mal einen gründlichen Blick drauf zu werfen. Die wichtigste Feststellung:
Manczic verfügt über Geld …«
Die anderen am Tisch sahen sich an. Hosp sah mit leichtem Lächeln
das Erstaunen in den Gesichtern von Marielle und Pablo. Marielle sah, dass
Schwarzenbacher erst die Tischplatte studierte, dann zu nicken begann,
schließlich aufschaute und das Mienenspiel von Wasle studierte.
»Seine Exfrau ist vor einiger Zeit gestorben. Sie war lange krank.
Sie hat ihm einen größeren Barbetrag hinterlassen. Wir haben einen Brief
gefunden, aus dem das hervorgeht. Wie viel Geld genau, wissen wir nicht. Ersten
Nachforschungen zufolge gehen wir von einem Betrag im unteren fünfstelligen
Bereich aus.«
»Damit lässt sich schon was anfangen«, ergänzte Wasle, der ansonsten
selten etwas sagte, meistens seinen Chef sprechen ließ. »Für zehntausend
bekommst du hierzulande einen gut ausgeführten Mord. Und wenn du das Geld in
Serbien, Kroatien oder Bosnien geschickt anlegst, bekommst du dafür auch zwei
oder drei …«
»Du spielst auf die Herkunft von Manczic an?« Es war keine Frage von
Schwarzenbacher, eher so etwas wie eine vage Feststellung.
»Wir spielen nicht nur darauf an«, sagte Hosp. »Auch diesem Umstand
sind wir nachgegangen. Manczic stammt aus Kroatien. Als junger Mann ist er auf
Arbeitssuche nach Österreich gekommen, erst nach Wien, dann nach Salzburg,
später nach Innsbruck. Hat anscheinend ein grundsolides Leben geführt, bis ihn
der
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