1644 - Angriff der Halbvampire
Und so rannte er weiter. Glücklicherweise war der mit hohem Gras bewachsene Boden vor ihm jetzt ziemlich eben. Da konnte er sein Tempo steigern. Wie lange er es durchhalten würde, wusste er nicht. Er hoffte nur, dass seine Kraft ausreichte, um bis zum Boot zu gelangen, mit dem er fliehen konnte.
Während er mit langen Schritten voraneilte, dachte er über die Insel nach, auf der er sich befand.
Sie war zweigeteilt. Ein Idyll zum einen und zum anderen eine Hölle, die er vernichten wollte. Das war sein Ziel, wenn ihm die Flucht gelang.
Was hier ablief, das musste einfach an die Öffentlichkeit gelangen. Es war eine Tatsache, aber zugleich so ungeheuerlich, dass ihm kaum jemand glauben würde.
Er war Gerüchten nachgegangen, über die andere Kollegen nur den Kopf geschüttelt hätten. Das hatte er nicht getan. Er wollte in seinem Job als Reporter vorankommen und die Leiter der Karriere rasch hochsteigen. Da brauchte er eine Story, die einschlug wie eine Bombe.
Dieser Einsatz sollte der große Knüller werden, und das hoffte auch Rita Wells, Kollegin und Fotografin, die am Boot auf ihn wartete, weil sie vorgerannt war. Sie hatte zahlreiche Aufnahmen geschossen und war sicher schon damit beschäftigt, die Fotos an die Redaktion zu mailen.
Eigentlich hätten sie schon längst auf dem Wasser sein müssen, aber Cain war noch mal zurückgelaufen, um die letzten Aufnahmen zu schießen.
Es war ein Fehler gewesen. Man hatte ihn entdeckt, und er fragte sich noch immer, wer ihn eigentlich entdeckt hatte und was das für Gestalten waren, die aussahen wie Menschen, die er jedoch nicht dazu zählen wollte.
Rita und er hatten sich schon recht lange auf der Insel aufgehalten. Eigentlich zu lange, denn es fing an zu dämmern. Aus diesem Grund war er noch mal zu einem bestimmten Punkt zurückgelaufen. Er hatte die Bewohner gesehen und erlebt, dass sie aus ihrem Schlaf erwachten, sodass er in seinem Verdacht bestärkt worden war.
Daran wollte er jetzt nicht denken. Es war gefährlich, sich ablenken zu lassen. Er musste sich auf den Weg konzentrieren.
Ihm war aufgefallen, dass es keine Tiere auf der Insel gab, und auch jetzt lief ihm kein Vierbeiner über den Weg. Nur einige Vögel hatte er durch die Luft fliegen sehen.
Der Fliehende drehte sich nicht um. Das hätte ihm zu viel Zeit gekostet.
Es gab für ihn nur den Weg nach vorn, hin zum Strand, der nicht mehr weit entfernt sein konnte. Wenn er ihn erreichte, war das die halbe Miete.
Es lag noch ein Hindernis vor ihm. Der Strand lag etwas tiefer als das übrige Niveau der Insel. Er würde noch einen Hang überwinden müssen, wobei dieses Gefälle an den verschiedenen Punkten unterschiedlich stark war. Wo er herauskommen würde, wusste er nicht, aber einen Umweg zu machen kam für ihn nicht infrage.
Der Bewuchs des Untergrunds veränderte sich. Das hohe Gras verschwand. Jetzt rannte er über einen dünnen Film aus Moos hinweg, wobei er den vielen, aus dem Boden ragenden grauen Felssteinen ausweichen musste, falls er sie nicht überspringen konnte.
Einige Male schaffte er das. Aber seine Kräfte ließen immer mehr nach.
Er keuchte und hatte das Gefühl, nicht mehr genug Luft zu bekommen.
Seitenstiche quälten ihn plötzlich.
Wäre es hell gewesen, dann hätte er den Strand sicherlich schon gesehen. Er bekam seine Beine nicht mehr richtig hoch und stolperte über einen Stein. Fangen konnte sich Barry Cain nicht.
Er landete auf dem Bauch, rutschte auf dem glatten Boden noch etwas weiter und wusste, dass es sein Ende war, wenn er es nicht schaffte, sich aufzuraffen.
Alles in ihm war in Aufruhr. Sein Blut schien sich verdickt zu haben. In seinem Kopf hämmerte es. Wenn er die Augen öffnete, sah er nicht mehr die normale Umgebung vor sich, sondern Explosionen von zuckenden Farben. Es waren die Zeichen der Erschöpfung.
Aber Cain war ein zäher Mensch. Er gab so leicht nicht auf. Der Gedanke daran, dass er sterben könnte, mobilisierte weitere Kräfte in ihm.
Es kam schon einem Wunder gleich, dass er sich noch mal aufraffen konnte, um dann weiter zu laufen. Barry wäre gern gerannt, aber es war ihm nicht möglich. Sein Vorwärtskommen glich mehr einem Stolpern.
Zudem sah er nicht, wohin er sich bewegte. Der Untergrund war für ihn zu einem schwankenden Tuch geworden, über das er rein mechanisch lief, ohne zu wissen, wohin ihn der Weg brachte.
Den Beginn des Abhangs sah er nicht. In seinem Zustand hatte er auch nicht mehr daran gedacht. Mit stolpernden Schritten
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