Glücksklee
ihr Herz war in tausend Stücke zerbrochen, doch ihren Vater interessierte das, wie immer, überhaupt nicht.
Konnte er nicht wenigstens so tun, als wolle er wissen, warum sie nach so langer Zeit wieder bei ihm aufgetaucht war? Oder lag ihm so wenig an ihr, dass es ihm einfach egal war? Er war wirklich das komplette Gegenteil ihrer liebevollen, warmherzigen Mutter. Cathy wäre außer sich, wenn sie erfahren würde, dass sie ihrer Tochter in einer derart schwierigen Zeit nicht zur Seite stehen konnte. Okay, Nina hatte ja nicht erwartet, dass Patrick sie mit offenen Armen und einer Schachtel Kleenex empfangen würde, aber eine einfache Frage nach ihrem Befinden war doch nicht zu viel verlangt, oder?
Nina stellte den vorbereiteten Teller mit dem Essen in die Mikrowelle, und während sie darauf wartete, dass es heiß wurde, schaute sie sich um und staunte darüber, wie pingelig Patrick war. Obwohl er gekocht hatte, war die Küche tadellos sauber. Töpfe, Pfannen und Kochutensilien hatte er bereits gespült und ordentlich gestapelt. Auf den Arbeitsflächen waren keine Wasserspritzer und kein Krümelchen zu sehen.
Bei ihrer Mutter sah es nach dem Kochen dagegen immer aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
Die Mikrowelle klingelte, und Nina trug zögernd ihren Teller ins Wohnzimmer, um sich zu ihrem Vater vor den Fernseher zu setzen.
«Schmeckt sehr gut», bemerkte sie nach ein paar Bissen von dem langweiligen, altmodischen Gericht, das ihr Vater so gern mochte. Der gebratene Speck war allerdings wirklich ganz lecker.
Als Antwort nickte ihr Vater nur zerstreut. Okay, er guckte gerade die Nachrichten und wollte wahrscheinlich nicht in irgendein belangloses Gespräch hineingezogen werden, aber konnten die deprimierenden Probleme der Welt nicht mal einen Abend lang warten?
«Hast du die Küchenzeile verändert, seit ich das letzte Mal hier war?», versuchte Nina es noch mal, obwohl sie wusste, dass Patrick jahrelang nichts mehr am Haus gemacht hatte.
«Weiß ich nicht genau», antwortete er und schien ernsthaft darüber nachzudenken. «Wann warst du denn das letzte Mal hier?»
«Vor acht Jahren», antwortete Nina knapp.
«Nein», sagte er mit Bestimmtheit, «seitdem ist nichts verändert worden.» Damit nahm er die Fernbedienung in die Hand und erhöhte einfach die Lautstärke des Fernsehers. Das war unmissverständlich das Ende der Unterhaltung.
Nina war trotzdem entschlossen, sich Mühe zu geben. «Der Garten sieht zu dieser Jahreszeit sicher schön aus, er steht schon in voller Blüte, nicht?»
«Ja.»
«Unterwegs sind mir die vielen Neubauten aufgefallen. Anscheinend wimmelt es in Lakeview jetzt von Gestrandeten wie mir», fügte Nina scherzend hinzu, aber ihr Vater verstand den Witz offenbar nicht oder ging einfach nicht darauf ein, denn wieder nickte er nur teilnahmslos und starrte weiter auf den Bildschirm.
Ernüchtert stocherte Nina auf ihrem Teller herum. «Äh … Dad, danke fürs Essen, aber ich bin wirklich ziemlich müde. Ich glaube, ich gehe einfach schon nach oben.»
«In Ordnung», sagte er, ohne den Blick vom Fernseher zu lösen.
Als Nina ihren Rucksack aufnahm und nach oben in ihr altes Zimmer ging, fragte sie sich, ob sie schon wieder einen großen Fehler gemacht hatte.
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Kapitel 2
Jess Armstrong fand es furchtbar schwierig, sich zwischen der Fendi und der Prada zu entscheiden. Die Fendi war aus braunem Nappaleder und hatte goldene Schnallen, während die Prada aus weichem, mit winzigen lavendelblauen Blüten bedrucktem Leder bestand.
Wenn sie die Tasche für sich selbst gekauft hätte, wäre die Entscheidung kein Thema gewesen. Aber ein Geschenk für Emer auszusuchen, das etwas hermachte, gleichzeitig aber auch so praktisch war, dass es in ihren Alltag hineinpasste, war eine echte Herausforderung. Die elegante Fendi war sicherlich die sinnvollere Wahl, aber die Prada war hübscher und ein echter Hingucker. Und Jess wollte, dass ihre beste Freundin aus dem Staunen nicht mehr rauskam, wenn sie ihr Geburtstagsgeschenk auspackte – das hatte sie sich verdient.
Vor zehn Monaten hatte Emer ihr erstes Kind zur Welt gebracht, die kleine Amy. Doch der Übergang zum Muttersein war ihr anfänglich schwergefallen, und Jess hatte sich wirklich Sorgen um sie gemacht. Die beiden waren seit vielen Jahren befreundet, und Jess würde alles tun, um ihrer Freundin auch jetzt zu helfen. Zum Glück hatte Emer das Schlimmste überstanden. Inzwischen schien sie sich mit ihrer kleinen
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