Das Feuer der Wüste
Erstes Kapitel
S chlag es dir aus dem Kopf, Ruth. Darüber diskutiere ich nicht!« Rose Salden funkelte ihre Tochter eisig an.
»Aber warum denn nicht? Ich habe immer an den Jungfarmermeisterschaften teilgenommen. Und immer war ich unter den drei Jahrgangsbesten. Warum nicht in diesem Jahr?« Ruth war vor Empörung ganz blass geworden.
»Weil du auch ohne eine Auszeichnung im Schafestemmen als schwer vermittelbar giltst. Herr im Himmel, wann begreifst du endlich, was im Leben wichtig ist?«
»Pff!« Ruth band sich ihr Kopftuch fester um die Stirn, stieg in die schweren Stiefel, die zum Kummer ihrer Mutter Cowboystiefeln nicht unähnlich waren, und zog ungeduldig den derbgrünen Overall zurecht. »Es interessiert mich nicht, ob ich gut vermittelbar bin. Ich brauche keinen Mann.«
»Oh doch, meine Liebe! Eine Farmerin ohne Ehemann kann gleich einpacken und in die Stadt ziehen.« Rose Salden unterstrich ihre Worte durch eine energische Handbewegung, die ihre goldenen Armreife leise klimpern ließ. »Und eine Frau, die als einzigen Vorzug mehrere Preise im Schafstemm-wettbewerb vorzuweisen hat, ansonsten aber für ihr loses Mundwerk bekannt ist, ist für die guten Familien in Südwestafrika einfach nicht tragbar.«
Ruth verzog gereizt den Mund. »Ich habe nicht nur im Schafestemmen gewonnen, das ist ja ohnehin nur ein Joke. Ich war auch die Beste im Hindernisreiten und im Viehtreiben, die Vierte beim Scheren, die Dritte beim Pfähleeinschlagen und die Erste im Wolleklassifizieren und beim Schafezählen.«
»Ja, ja.« Ruths Mutter winkte enerviert ab. Sie kannte die Argumente ihrer Tochter zur Genüge. »Ein Mann will keine Frau zum Schafezählen, sondern zum Schäfchenzählen. Und das, meine Liebe, sollte dein erstes Ziel sein: einen Mann finden und Kinder kriegen. Frauen sind nicht dafür geschaffen, Schafe zu züchten und das Sagen zu haben. Wie oft muss ich dir das noch erklären?«
»Schau dir die Waterfall Farm an«, widersprach Ruth trotzig. »Kathi Markworth schmeißt den Laden ganz allein. Erst gestern hat sie den Traktor repariert und letzte Woche den Stromgenerator. Nur zum Scheren holt sie sich Hilfe.«
»Kathi Markworth ist Witwe und noch dazu arm. Sie kann nicht anders, kann sich ja noch nicht einmal einen Verwalter leisten. Es ist eine Schande für die arme Frau, so leben zu müssen«, erwiderte Rose mit Nachdruck. »Es würde mich nicht wundern, wenn sie ihren Mann dafür über das Grab hinaus hasst. Als Vorbild für eine junge Frau taugt sie gewiss nicht.«
»Warum? Kathis Karakulschafe sehen besser aus und sind gesünder als die von vielen anderen Farmern.«
»Ruth, wir haben oft genug darüber gesprochen.« Rose Salden seufzte. »Du bist jetzt vierundzwanzig Jahre alt, eigentlich schon zu alt, um noch einen Mann zu finden. Südwestafrika ist ein großes Land und trotzdem ein Dorf. Hier kennt jeder jeden. Lass nicht zu, dass dein Ruf noch schlechter wird. Zieh das hübsche Kleid an, das ich dir aus Gobabis mitgebracht habe, geh zum Farmerwettbewerb, und dieses Mal bitte nicht als Teilnehmerin, sondern als angenehm anzusehende junge Frau, die mehr vom Leben erwartet als eine Steigerung der Wollproduktion.«
»Das Land heißt schon seit Jahren nicht mehr Südwestafrika, sondern Namibia. Und ich bin nicht Corinne, Mama!« Beim Gedanken an ihre Schwester verdrehte Ruth unwillig die Augen.
»Ja, leider«, sagte Rose. Sie seufzte demonstrativ, nahm die Hände vor die Brust, sodass die Innenflächen nach außen zeigten, und schloss die Augen.
Ruth seufzte ebenfalls. Sie wusste, dass es sinnlos war, ihrer Mutter noch zu widersprechen. Erst recht, wenn sie diese Haltung eingenommen hatte. Roses geschlossene Augen signalisierten nur allzu deutlich, dass sie nun von Problemen nichts mehr hören und sehen wollte. Widerspruch war nicht nur zwecklos, sondern machte alles nur noch schlimmer. Rose Salden hasste die Farmarbeit, mochte die Schafe nicht und träumte seit Jahren von einem Leben in einer Stadtvilla von Windhoek oder Swakopmund, von einem Leben ohne unangenehme Gerüche, ohne Mist und Vieh, von einem Leben, in dem die wichtigste Aufgabe der Frau darin bestand, den schwarzen Dienstboten Anweisungen zu erteilen und jeden Tag frisches Obst in einer tiefen Silberschale zu arrangieren.
Überhaupt war Ruths Mutter der Ansicht, dass das Leben an sich ungerecht sei und sie viel Besseres verdient habe. Eigentlich, da war sich Ruth sicher, war ihre Mutter der Meinung, das Leben einer weißen Dame in
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