Gluecksstern mit Schwips
„rosi gen Apfelbäckchen“ beschreiben.
Ganz besonders rot werde ich allerdings, wenn ich lüge. Das hat sich schon mehrfach ungünstig auf mein Leben ausgewirkt. Nicht, dass ich gerne lüge, aber manchmal ist eine kleine Notlüge von elementarer Wichtigkeit, wenn man es sich nicht mit seiner Umwelt verscherzen will. Welche Frau will schon hören, dass die neue Frisur, für die sie gerade stundenlang beim Friseur gesessen und ein Vermögen hingelegt hat, absolut schrecklich an ihr aussieht, oder dass der neue Freund ein absoluter Idiot ist, der mit jeder Frau flirtet, oder dass das Essen, für das man den ganzen Nachmittag in der Küche gestanden hat, total furchtbar geschmeckt hat. Ich habe eine Studie gelesen, in der es hieß, der durchschnittliche Bürger lüge im Schnitt bis zu zweihundert Mal am Tag. Das nenne ich mal eine ganz amtliche Zahl. Womit in meinen Augen bewiesen wäre: Jeder lügt, aber nicht allen sieht man es an. Wenn dies tatsächlich so ist, bin ich ganz klar im Nachteil.
Sorgfältig trage ich die Wimpern verlängernde, Volumen schenkende Wimperntusche auf. Man muss seine Vorzüge schließlich betonen, vor allem, wenn man wie ich nicht gerade üppig damit bestückt ist. Ein Hoch auf die Kosmetikindustrie!
Nachdem ich meine Augenbrauen mit etwas Spucke in die richtige Form gebracht habe, gehe ich zurück ins Schlafzimmer, um meine Klamotten einzusammeln. Wo ist denn nur meine Lieblingsjeans? Ich habe sie doch neben meinem Bett fallen gelassen, bevor ich gestern Abend hineingehüpft bin? Diese Jeans ist mir heilig, weil sie die Einzige ihrer Art ist, in der ich nicht wie eine geplatzte Presswurst aussehe.
„Wo bleibst du denn?“ Florian steht mit zwei Bechern Kaffee bewaffnet im Türrahmen.
„Ich suche meine Jeans“, sage ich schnell.
Florian zieht missbilligend die Augenbraue nach oben. „Ich habe deine Jeans ordentlich über den Bügel gehängt.“ Er deutet auf den Kleiderschrank.
Florian ist der wahrscheinlich ordentlichste Mann auf der Welt. In seiner Wohnung sieht es immer aus, als tauche jeden Moment ein Fotografenteam auf, um Bilder für die nächste Ausgabe von Schöner Wohnen zu machen. Die Wände von Florians Wohnung sind so weiß, dass man bei Sonne eine Sonnenbrille aufsetzen muss, um nicht schneeblind zu werden. Seine Anzüge hängen, nach Wochentagen sortiert, zusammen mit dem jeweils passenden Hemd und der Krawatte aufgereiht in seinem Schrank. Die Schuhe stehen ordentlich nebeneinander in einem eigens dafür angeschafften Schuhschrank. Auf seinem Bett liegt immer eine Tagesdecke, die derart glatt gespannt ist, dass man meinen könnte, es handele sich um ein Trampolin. Und in der Küche ist es so sauber, dass man dort jederzeit eine Notoperation auf dem Küchentisch durchführen könnte. Selbst wenn Florian kocht, sieht man keinen Spritzer. Alles ist steril in Weiß und Edelstahl gehalten. Mein Vorschlag, ein paar Töpfe mit Kräutern als Farbtupfer auf die Fensterbank zu stellen, wurde mit den Worten, das sei unhygienisch, abgeschmettert.
Ebenso wenig Zusti mmung fand mein Vorschlag, ein etwas sanfteres Licht über dem Bett anzubringen. So kommt es, dass wir uns im grellen Neonlicht lieben. Das ist weder vorteilhaft für mein Aussehen, noch für mein Selbstbewusstsein.
Ich steige in meine Jeans und schwöre mir dabei einmal mehr abzunehmen. Ich ziehe mir das T-Shirt über den Kopf.
„Bist du soweit?“ Florian mustert mich streng.
Ich schlüpfe rasch in meine Schuhe und schnappe mir meine Umhängetasche.
„Jetzt!“
„Findest du, ich habe zugenommen?“ Melanie betrachtet sich mit kritischem Blick im Fenster. Melanie ist meine Kollegin und Freundin. Wir teilen uns ein winziges Büro. Während die übrigen Kollegen aus der Werbeabteilung einen fantastischen Ausblick auf die Hamburger Innenstadt und den Hafen genießen, schauen Melanie und ich auf eine unschöne Häuserfront. Die Sonne bekommen wir praktisch nie zu Gesicht. Bei den Kollegen hat unser Büro deshalb den Spitznamen „Maulwurfshaufen“.
„Och“, antworte ich. Denn ehrlich gesagt hat Melanie, genau wie ich, ein paar Kilo zu viel auf den Hüften.
„Wirklich nicht?“ Melanie dreht sich fragend zu mir. „Warum wirst du dann rot?“
Mist! Da ist es wieder – mein kleines Problem. „Na ja, vielleicht ... wenn man ganz genau hinschaut.“ Ich lege den Kopf schräg. „So ein mini bisschen um den Bauch herum ...“
„Du sie hst es also auch!“ Melanie sieht aus, als würde sie jeden
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