Glutheißer Höllentrip
sich vor dem Moment, wenn er endgültig die Kontrolle über sich selbst verlieren würde. Noch konnte sich der Verbrecher beherrschen. Aber was geschah, wenn Pete seiner Gewalttätigkeit wirklich freien Lauf ließ? Er konnte im Handumdrehen mehrere Menschen töten, bevor die Polizei ihn überwältigen würde. Daran hatte Kathy keine Zweifel.
Sie musste jetzt dringend an etwas Schönes denken, sonst würde sie noch durchdrehen. Sie machte es sich in ihrem Bussitz so bequem wie nur möglich. Mit einem Seufzer zog sie die Knie an den Oberkörper, rollte sich zusammen und schloss die Augen. Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem kurzen Moment, als sie in Davids Armen gelegen hatte. Seine Lippen hatten sich herrlich angefühlt, die Berührung war ein süßes Versprechen auf mehr gewesen. Doch würde sie das jemals erleben? David hatte den Bus verlassen. Sie konnte nur hoffen, dass die Einsatzleitung der Polizei keine Fehler machte. Die Cops würden schon dafür sorgen, dass David das Lösegeld bekam. Aber ob sie es auch riskierten, ihren jungen Kollegen wieder in den Bus zurückzuschicken? War es nicht viel wahrscheinlicher, dass an Davids Stelle ein schwer bewaffneter SWAT-Trupp anrücken würde, um dem Kidnapping endgültig ein Ende zu bereiten? Wie würde Pete dann reagieren?
Kathy verabscheute den Anführer aus tiefster Seele. Er war noch viel schlimmer als ihr Stiefvater, das hatte sie inzwischen erkannt. Der zweite Mann ihrer Mutter hatte wenigstens niemanden umgebracht, sondern sich immer nur an seiner jämmerlichen kleinen Macht berauscht, die er über Kathy und ihre Mom hatte. Doch Pete betrachtete Menschen nur als Figuren eines irrsinnigen Schachspiels, bei dem er um jeden Preis gewinnen wollte. Kathy hoffte nur, dass Pete sie weiterhin für die Tochter des Innenministers hielt. Ein so hochkarätiger Gegenspieler würde den größenwahnsinnigen Verbrecher vielleicht unvorsichtig machen.
Kathy schrak zusammen. Sie war tatsächlich eingeschlafen, obwohl sie das bei der nervlichen Anspannung niemals für möglich gehalten hätte. Ihre Augen waren verklebt. Sie musste mehrmals blinzeln, um einigermaßen klar sehen zu können. Gähnend fuhr sie sich durch ihr schweißnasses Haar. Laut der Digitaluhr im Bus musste über eine Stunde vergangen sein, seit David weg war. Benötigte er wirklich so lange Zeit für die Strecke? Kathy hatte keine Vorstellung davon, wie schnell man sich in der Finsternis zu Fuß fortbewegen konnte. Sie selbst und Li waren mit ganzer Kraft gerannt, aber sie hatten ja auch kein bestimmtes Ziel gehabt.
Auch Pete schien noch nervöser, sofern das überhaupt möglich war. Er kaute ununterbrochen an seiner Unterlippe und spähte durch die Frontscheibe des Busses in die Nacht hinaus. Auf dem Geröll waren leise Schritte zu hören. Kathy presste die Lippen aufeinander. Ob die Polizei einen Überraschungsangriff startete? Kathy konnte nicht sagen, ob die Schritte von einer oder mehreren Personen stammten. Auch Pete hatte mitgekriegt, dass sich etwas tat. Er richtete die Pistolenmündung auf die Bustür, die nun langsam von außen aufgedrückt wurde. Kathy hielt die Luft an. Sie hätte schwören können, dass Pete schießen würde.
Aber dann hörte sie eine vertraute Stimme. „Nimm die Kanone zur Seite, ich bin es. Ich habe den Zaster.“
Kathy hätte am liebsten laut gejubelt. Sie war einfach nur froh, dass David wieder bei ihr war. Er war der einzige Mensch im Bus, zu dem sie sich wirklich hingezogen fühlte. Die anderen Geiseln taten ihr einfach nur leid, aber sie waren keine Hilfe. David hingegen strahlte Zuversicht aus, obwohl er genauso von Pete terrorisiert wurde wie alle anderen.
Er hatte eine große Reisetasche dabei, die er in den Mittelgang wuchtete. Henry riss sofort den Reißverschluss auf. Der Kriminelle keuchte, als er die gebündelten Geldscheine erblickte. Auch Jay hatte nur noch Augen für das Lösegeld.
„Und das sind echt zehn Millionen?“, fragte Henry heiser. „Hast du durchgezählt, David?“
„Natürlich nicht“, gab David genervt zurück. „Hast du eine Ahnung, wie lange das gedauert hätte? Aber es wird schon stimmen, da sind ausschließlich große Banknoten drin.“
Henry und Jay begannen gierig in den Geldscheinen zu wühlen. Kathy merkte sofort, dass Pete die Begeisterung seiner beiden Kumpane nicht teilte. Er hielt sich zurück, ein böses kleines Grinsen wollte nicht aus seinem Gesicht weichen. David drängte sich auf dem Mittelgang an Henry und Jay
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