Göttin der Rosen
Er sollte sich mit dem Geschenk aus Worten und Hoffnung zufriedengeben und gehen. Es war genug.
Das war nicht genug! , brüllte das Biest in ihm.
Aber es muss genug sein. Selbst wenn sie mich wundersamerweise lieben würde, ändert das nichts. Ihr Schicksal bleibt unverändert .
In Asterius führte der Verstand einen Krieg gegen das Herz, und der Biestmann blieb stumm, focht innerliche Kämpfe aus und genoss dabei dennoch die sanfte Berührung ihres Arms an seinem.
Mikki versuchte, nicht zu denken. Hier und da warf sie einen verstohlenen Blick auf sein markantes Profil – das eckige Kinn, die breite Stirn, die spitzen Onyx-Hörner. Ein Schauer durchlief sie – teils nervöse Unruhe, teils Faszination. Sie wollte nicht denken. Sie wollte ihrem Instinkt folgen.
Sie waren beide so abgelenkt, dass sie überrascht waren, als sie plötzlich vor Mikkis Balkon standen.
»Ich bringe die Traumstränge zu den Weberinnen«, verkündete er schroff.
»Gute Idee. Sie warten ja schon auf dich.« Mikki streckte die Hand aus, als wollte sie das schimmernde Bündel berühren, überlegte es sich dann aber anders und ließ die Hand sinken. Langsam hob sie den Blick und sah Asterius in die Augen. »Der Traum, in dem wir waren – werden die Frauen ihn sehen und in einen Wandteppich weben?«
Überrascht sah er sie an. »Das weiß ich nicht. Mit Träumen, die wahr werden, habe ich persönlich keinerlei Erfahrung.«
Mikki legte den Kopf in den Nacken, um ihm besser ins Gesicht schauen zu können. »Hast du denn keine Träume?«
»O doch, aber sie werden nicht wahr. Seit ich den Eid geschworen habe, Hekate zu dienen, habe ich zugesehen, wie die Träume von anderen wahr wurden, aber von mir ist niemals einer in Erfüllung gegangen.« Er blickte ihr unverwandt in die Augen. »Ihr wisst ja, dass ich der Sohn eines Titanen bin, schon viele Jahrhunderte lebe und noch endlos viele weiterleben werde. Aber ich möchte Euch sagen, dass ich den heutigen Tag nie vergessen werde, solange mein Herz schlägt.«
»Das klingt, als meinst du, heute wäre vorüber.«
Er lächelte, seine scharfen, weißen Zähne blitzten, aber seine Augen blieben traurig. »Es war ein schöner Tag, aber wie alles muss auch er zu Ende gehen.«
Aber Mikki wollte nicht, dass dieser Tag zu Ende ging, noch nicht. Sie wollte … sie wollte, dass Asterius … Etwas fahrig spielte sie in Gedanken die Möglichkeiten durch. Was wollte sie wirklich von ihm? Wenn sie so dicht neben ihm stand, war sie wieder einmal fassungslos über seine Größe und die ungeheuer kraftvolle Kombination von Mann und Tier – die gespaltenen Hufe, die behaarten Beine, die muskulöse Brust und kräftigen Schultern, das Gesicht, das aussah, als sollte es einem antiken Kriegsgott gehören, nicht einer Kreatur, die halb Tier war. In ihrem Traum war sie von ihm verfolgt worden und schließlich in seinen Armen gelandet. Das war erotisch und aufregend gewesen, aber eben ein Traum. Die Wirklichkeit war ganz anders. Zum einen jagte Asterius sie nicht. Zum anderen musste sie daran denken, was er über das Biest in ihm gesagt hatte. Sie war nicht die Schöne aus dem Märchen, und er würde sich bestimmt nicht in einen eitlen Prinzen verwandeln, wenn sie versprach, ihn zu heiraten. Himmel, er hatte ihr ja nicht mal einen Antrag gemacht. Wer wusste, welche Absichten er hegte – meistens war seine Miene so undurchdringlich, dass sie überhaupt nicht erraten konnte, was er dachte.
Aber was waren ihre Absichten? Sie hatte ihm gebeichtet, dass sie womöglich dabei war, sich in ihn zu verlieben. Was bedeutete das? Wie ernst war es ihr damit?
»Wenn Ihr nichts anderes mehr von mir benötigt, dann wünsche ich Euch eine gute Nacht, Mikado.«
Als er das sagte, wurde Mikki schlagartig klar, dass sie dagestanden und ihn dämlich angestarrt hatte. Sie blinzelte und hatte das Gefühl, aus einer Trance zu erwachen.
»Es gibt noch etwas, was du für mich tun kannst.«
Rasch stieg Mikki drei Stufen der Balkontreppe hinauf. Asterius wollte ihr folgen, aber sie drehte sich um, so dass er abrupt stehen bleiben musste. Jetzt waren sie fast auf Augenhöhe, und einen Moment stand er einfach da und genoss das wunderbare Gefühl, einer Frau körperlich so nahe zu sein, die nicht vor ihm zurückschreckte oder ihn wie einen streunenden Hund behandelte. Dann legte sie ihm die Hände auf die Schultern.
»Was kann ich für Euch tun, Mikado?« Trotz des Schmerzes, der ihn bei ihrer Berührung sofort heimsuchte, gab er sich
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