Göttin der Rosen
kommen.«
Ohne Zögern ging sie zu ihm.
»Vertraut Ihr mir?«, fragte er.
»Ja.«
»Dann wendet mir Euren Rücken zu.«
Mikki drehte sich um und fühlte, wie er sich ihr näherte und sich bückte, damit er ihre kleinen Hände mit seinen umfassen konnte. »Öffnet die Hände und drückt sie an meine, damit meine Klauen Eure werden.«
Mikki spreizte die Finger und legte sie auf seine. Dann drückte sie die Arme an ihn, und als ihr ganzer Körper seinem begegnete, spürte sie, wie er scharf die Luft einsog und ein Schauder ihn durchzuckte, während in ihr eine Hitze aufstieg, die die Innenseite ihrer Schenkel zum Kribbeln brachte.
»Jetzt bewegt Euch mit mir.«
Und das tat sie. Gemeinsam mit seinen durchkämmten ihre Hände die Nachtluft, und sie fühlte, wie die Fäden auf ihren Handflächen kribbelten. Wenn seine Hände sich um das schimmernde Garn schlossen, folgten ihre ihnen nach, und auf einmal machten die Fäden sie auch nicht mehr schwindlig, sondern sie konnte das Garn klar und deutlich fixieren. Es war, als würde sie zusehen, wie sich eine Filmspule, die sie aus der Dunkelheit zog, vor ihr aufrollte. Sie sah eine Frau, die sich genauso mit dem Rücken an einen Mann schmiegte wie sie jetzt an Asterius. Die Frau war nackt, und die sanfte Linie ihres Rückens wurde nur von ihrer kupferroten Haarmähne unterbrochen. Genau wie meine … sie hat meine Haare … dachte Mikki träumerisch. Dann erschienen zwei muskulöse Arme mit Bronzehaut in der Szene, umfassten die Frau und zogen sie nach hinten, so dass ihr Körper an seinem nackten Brustkorb ruhte. Der Mann beugte den Kopf nach vorn, um den Nacken der Frau zu liebkosen, und das Licht schimmerte auf seinen dunklen Hörnern.
Ein Knurren von Asterius zerriss die Bildfolge auf dem Strang. Mikki stolperte und wäre fast gestürzt, als der Wächter sich abrupt von ihr löste. Als sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte und sich ihm zuwandte, stand er mit gesenktem Kopf neben der Fackel, umgeben von den zarten Garnbündeln. Mikki sah, dass er schwer atmete, und er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Seine Hand zitterte.
»Ich muss das Garn in den Palast bringen.« Seine Stimme war wieder förmlich, höflich.
»Habe ich dich verärgert?«, fragte Mikki.
»Nein.«
»Warum benimmst du dich dann so?«
Er hob den Kopf und schaute sie an. Noch nie war Mikki einem dermaßen gequälten Blick begegnet.
»Habt Ihr sie auch gesehen? Die Szene in dem Strang?«
»Ja«, flüsterte sie.
Auf einmal begann er mit abgehackten, harten Bewegungen die Garnbündel aufzusammeln. »Ich verstehe nicht, was da passiert ist. Das sind Realitätsfäden. Aus ihnen sollen Träume entstehen, die wahr werden.«
Wortlos nahm sie die Palla von ihren Schultern und breitete sie auf dem Boden aus, damit er das Garn darauflegen konnte.
»Und?«, hakte sie nach, als er schwieg.
»Und sie sollen keine Phantasien und Lügen zeigen!«
Die Kraft seiner Stimme brachte die Fackel zum Flackern, aber Mikki trat unbeirrt auf ihn zu. Auf einmal wurde er ganz still, und sie strich behutsam mit den Fingerspitzen über seine Wangen. Er zitterte unter ihrer Hand, wich ihr aber nicht aus.
»Ist es dir unangenehm, wenn ich dich berühre?«, fragte sie.
»Nein!«
»Möchtest du mich auch anfassen?«
»Ja«, stieß er hervor.
»Dann verstehe ich nicht, warum du sagst, dass die Szene, die wir beide gesehen haben, eine Phantasie und eine Lüge ist.«
»Weil ich ein Monster bin, und Ihr eine sterbliche Frau seid!«
»Hör auf!« Wütend funkelte sie ihn an. »Du bist derjenige, der es unmöglich macht. Mir ist das Monster völlig egal. Das hier« – mit einer schnellen Handbewegung deutete sie auf seine Hörner und seine Hufe – »hat mich nicht davon abgehalten, dich zu wollen, als du in meinen Träumen zu mir gekommen bist, schon damals in Tulsa. Und da kannte ich noch nicht einmal den Mann in dir. Warum sollte es mich dann jetzt daran hindern, dich zu wollen?«
»Mikado, Ihr versteht das nicht. Es geht hier um mehr als nur darum, was zwischen uns passiert oder nicht passiert. Ihr seid nur …«
»… wegen der Rosen hier. Verdammt nochmal, Asterius! Das weiß ich doch. Glaubst du denn, ich bin nicht imstande, gleichzeitig meine Arbeit zu machen und dich zu lieben? Himmel! Die Leute in diesem Reich haben ziemlich gemeine Dinge über meine alte Welt gesagt, und einiges davon stimmt auch, aber allmählich frage ich mich, was eigentlich die Priesterinnen vor mir getan haben.
Weitere Kostenlose Bücher