Göttin der Rosen
gemacht …« Mikki verstummte, als sie sich daran erinnerte, wie die Worte auf dem Skript geleuchtet hatten und wie sie ihr fast ohne ihr Zutun über die Lippen gekommen waren. »Sobald ich den Namen der Göttin ausgesprochen hatte, hat sich alles verändert.«
Ihr war gar nicht bewusst, dass sie den Gedanken laut ausgesprochen hatte, bis Hekate ihr streng antwortete.
»Deine Seele und das Blut, das durch deine Adern fließt, kennen meinen Namen, und sie haben nach deiner Göttin gerufen, auch wenn du mich vergessen hast.«
»Das kommt mir so unmöglich vor …« Mikki wischte sich zittrig über die Stirn.
»Aber das war kein Blutopfer. Deine Worte hätten die Luft aufgewirbelt, die Erde hätte gebebt, das Wasser geweint und das Feuer gelodert, aber ohne dein Blut hättest du nicht meinen Wächter erwecken und in mein Reich eintreten können.«
»Ich habe die Rosen genährt«, erklärte Mikki zaghaft und dachte an die Kakophonie von Geräuschen, die sich bei der Beschwörung erhoben hatte. Wind … Erde … Wasser … Feuer … Hatten sie wirklich allesamt auf ihre Worte reagiert? Eine überwältigende Vorstellung. Das ungeduldige Stirnrunzeln der Göttin holte sie in die Gegenwart zurück. »Die Bauarbeiter in den Gärten hatten die Rosen zertrampelt. Es war die Neumondnacht, und ich hatte schon meine Rosen versorgt – die Rosen auf meinem Balkon zu Hause. Es war ganz leicht, den Schnitt in meiner Handfläche wieder zu öffnen und den Rosen in den Gärten auch zu helfen. Ich schätze, ich bin ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen, als ich das Wasser überall verspritzt habe. Ich habe sogar ein paar Tropfen auf die Statue …« Mikki unterbrach sich und starrte Hekate an. »Die Statue. Diese Kreatur. Sie … Sie …«
» Er« , korrigierte Hekate sie. »Der Wächter ist männlich. Und ja, deine Beschwörung, verbunden mit dem Blutopfer, hat ihn erweckt. Er hat dich hergebracht. Es war seine Pflicht, meine Priesterin an ihren angestammten Platz zurückzubringen.«
Wie von selbst glitt Mikkis Blick von der Göttin zu den Schatten, die mit dem Voranschreiten der Nacht immer länger wurden.
»Er ist nicht hier. Er ist seinen Aufgaben zu lange nicht nachgekommen. Er hat eine Menge in Ordnung zu bringen; viel liegt im Argen, und um all das muss er sich kümmern. Aber mach dir keine Gedanken um ihn. Du hast nichts von ihm zu befürchten. Er ist nur dafür da, das Reich der Rose zu beschützen und sicherzustellen, dass die Realitätsfäden in Träume und Magie eingewebt werden.«
Mikki schüttelte ungläubig den Kopf. »Realitätsfäden? Wie kann er …«
»Du brauchst seine Aufgabe nicht zu verstehen«, unterbrach die Göttin sie erneut. »Es reicht, wenn du weißt, dass er keine Gefahr für dich darstellt. Er beschützt alle Bewohner des Reichs der Rose.«
»Warum stand er die ganze Zeit in den Tulsa Municipal Rose Gardens, wenn er doch dein Wächter ist?« Und warum hat er mich in meinen Träumen verführt? , kreischte die Stimme in Mikkis Kopf.
Hekate wandte den Blick von Mikki ab und starrte nachdenklich über die scheinbar endlosen, von Flammen erleuchteten Gärten. Als sie sprach, war es mehr zu den Schatten als zu der Frau, die neben ihr stand.
»Ich bin eine Göttin, aber ich bin nicht unfehlbar. Es war meine Schuld, dass mein Wächter verbannt wurde, und diesen Fehler möchte ich korrigieren.«
Mikki wusste nicht, was sie sagen sollte. Bisher hatte sie geglaubt, Götter wären allmächtige Wesen, die alles wussten und niemals einen Fehler begingen. Aber jetzt stand sie hier vor einer Frau, die von sich behauptete, Hekate zu sein, die unglaubliche Macht und Autorität ausstrahlte, und diese Frau, diese Göttin , gestand ihr, dass sie etwas falsch gemacht hatte? Das ergab absolut keinen Sinn. Andererseits ergab im Grunde nichts von dem, was mit ihr passierte, irgendeinen Sinn.
Erneut sprach Hekate, ohne Mikki anzusehen. »Ja, auch eine Göttin kann sich irren. Ich habe ein Herz und eine Seele. Ich habe Wünsche und Träume. Ich liebe und hasse. Wie könnte ich eine weise, verehrungswürdige Göttin sein, wenn ich die Fehler der Menschheit nicht verstehen würde? Und um diese Fehler zu verstehen, muss ich manche von ihnen selbst begehen.«
»Das tut mir leid«, sagte Mikki leise.
Hekates graue Augen wandten sich wieder ihr zu. »Ich habe die Gesellschaft meiner Empousas vermisst. Auch wenn deine Rückkehr unbeabsichtigt war« – diesmal klang das Wort fast scherzhaft –, »bin ich froh, dass
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