Gotland: Kriminalroman (German Edition)
schwarze Hose und eine rot-weiße Windjacke. Seine Arme hingen schlaff am Körper. Als er ihm nahe genug gekommen war, sah er Fredrik für einen Moment direkt in die Augen. Dann senkte er wieder den Blick. Er ging geradewegs auf die Tür zu, und Fredrik machte einen Schritt zur Seite.
»Kommen Sie raus, und bleiben Sie bei diesem Stein stehen!« Fredrik zeigte auf einen flachen runden Stein im Gras vor dem Leuchtturm.
Vorsichtig stieg Rickard Traneus über die hohe Türschwelle und leistete der Anweisung Folge. Fredrik näherte sich ihm von schräg hinten und packte seinen linken Arm am Handgelenk.
»Ich werde Ihnen jetzt Handschellen anlegen und Sie abtasten.«
Rickard nickte stumm.
Rasch verriegelte Fredrik die Handschellen. Sobald sie eingerastet waren, steckte Sara ihre Pistole ein und kam auf sie zu.
»Gut, dass Sie herausgekommen sind«, sagte sie, »Jetzt können wir abfahren.«
Rickard drehte den Kopf in Saras Richtung und sah sie an, sagte aber kein Wort. Fredrik klopfte Rickards Beine, den Rücken, die Seiten und seinen Bauch ab und beschlagnahmte ein Schweizer Armeemesser, das er in Rickards Windjacke fand.
»Gehen wir«, sagte Fredrik. »Bis zum Boot brauchen wir etwa eine Viertelstunde.«
Sara und Fredrik hatten Rickard Traneus in die Mitte genommen, und Fredrik hielt seinen Oberarm in festem Griff. Während sie die Steilküste hinuntergingen, blickte er angestrengt in Richtung Norden. Er rechnete mit dem blauen Schiff der Küstenwache, aber das war immer noch nicht zu sehen.
Rickard Traneus hatte noch keinen Ton gesagt, seit er aus dem Leuchtturm gekommen war. Fredrik fragte sich unwillkürlich, was Rickard durch den Kopf gehen mochte. War er erleichtert, dass das Ganze vorbei war, oder war es für ihn noch gar nicht vorbei? War er immer noch in einem Inferno aus Tod und Schuld gefangen? Blickte er in das graue Unwetter und glaubte, in dieser Welt keinen Platz mehr zu haben? Hatte er jemals ernsthaft gedacht, er würde entkommen? Was hätte er mit seinem Leben gemacht, wenn ihn niemand verdächtigt hätte und die Leiche seines Vaters nie aufgetaucht wäre?
»Fredrik!« Sara zeigte auf die Landzunge, wo sie angelegt hatten.
Er brauchte nicht zu fragen, was sie meinte. Die Anita legte vom Steg ab, drehte langsam nach Norden und schaukelte kräftig auf den Wellen.
»Er konnte nicht länger dort bleiben«, sagte Sara.
»Wir müssen umkehren«, erwiderte Fredrik.
Rickard Traneus’ Blick schweifte nervös von einem zum anderen. Fredrik erklärte, was passiert war.
»Hinter den Klippen ist Windschatten. Dort kann er anlegen.«
Er hoffte, dass er recht hatte. Falls der Wind noch weiter drehte, saßen sie auf der Insel fest.
»Wir müssen denselben Weg zurückgehen.«
Rickard Traneus machte gehorsam kehrt, und sie kämpften sich den Steilhang wieder hinauf. Oben auf der Klippe überlegte Fredrik, was klüger war: Sollten sie mit dem Kutter zurückfahren, oder sollten sie auf die Verstärkung warten?
»Kannst du die Kollegen anrufen und fragen, wo sie bleiben?«, schrie er Sara zu. »Wenn sie in der Nähe sind, warten wir vielleicht besser.«
Andererseits war das Fischerboot vielleicht ihre letzte Chance, die Insel bei dem heraufziehenden Unwetter zu verlassen. Er war nicht gerade versessen auf eine stürmische Nacht im Leuchtturm, schon gar nicht in Gesellschaft eines Doppelmörders.
Sara zog das Handy aus der Tasche.
»Fragt sich, ob die mich überhaupt hören«, rief sie.
Der Wind war noch stärker geworden. Sie mussten sich gegen die Böen stemmen. Wenn sie nicht direkt nebeneinander standen, konnten sie sich unmöglich in normalem Ton verständigen.
»Ich versuche es, aber vielleicht geht es nur im Leuchtturm.«
Schützend legte sie die gewölbte Hand um das Handy, damit der Wachhabende eine Chance hatte, ihre Stimme im Sturm zu verstehen.
Vor den Klippen wurde die Anita kräftig durchgeschaukelt. Das Boot schien sich auf dem Rückweg nach Herrvik zu befinden, aber Söderman drehte vermutlich nur eine Runde, um nicht zu nah an Land zu kommen. Fredrik wendete sich um, kniff die Augen zusammen und blickte nach Norden. War dort nicht etwas zu erkennen? Brachen sich dort Wellen an einer Untiefe? Nein, es war die energische V-Form des Seenotkreuzers KBV 181 von der Küstenwache in Slite, der mit schäumender Bugwelle die unruhige See durchquerte und direkt auf die Insel zukam.
»Sie kommen«, rief er Sara zu, »da sind sie!«
Genau in dem Augenblick, als Fredrik nach Norden zeigte,
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