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Der Drachentöter

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Titel: Der Drachentöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Laumer
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DER DRACHENTÖTER
     
    Als Retief die Kanalgondel bezahlte und die Mole betrat, drängte sich Zweiter Botschaftssekretär Magnan durch das Gewühl am Königlichen Kai. Sein schmales Gesicht war rot von der Anstrengung. »Da sind Sie ja!« rief er, als er seinen Stellvertreter erspähte. »Ich habe Sie überall gesucht. Botschafter Pinchbottle wird wütend sein.«
    »Was haben Sie da auf dem Kopf?« Retief betrachtete einen schlaffen, gelbgrünen Ballon, der hinter Magnans linkem Ohr wippte.
    Magnan schielte das Gebilde an, das mit einer schmuddeligen rosa Schleife um sein Kinn befestigt war und von dem Ballon aufrechtgehalten wurde: schwankende, zerrupfte Federn, die im Wind schaukelten, dazu Schnüre, die offenbar schon durch viele Hände gegangen waren.
    »Das ist doch der Festkopfputz von Rockamorra. Hier…« Er holte aus seinem violetten Nachmittagsfrack ein Bündel zerknautschter Ballons und Federn und reichte es Retief. »Das ist für Sie; streifen Sie es sofort über. Ein paar Federn sind leider geknickt, aber …«
    »Wo ist der Botschafter?« unterbrach ihn Retief. »Ich muß ihm dringend etwas mitteilen.«
    »Sie werden ihm eine ganze Menge mitteilen müssen«, sagte Magnan scharf. »Beispielsweise, weshalb Sie eine halbe Stunde zu spät zur Beglaubigungszeremonie kommen.«
    »Ooh, da geht er hin – mit seinem ganzen Stab. Sie sind zum Tempel unterwegs. Entschuldigen Sie mich, Mister Magnan.« Retief schob sich durch die Menschenmenge auf den breiten torlosen Eingang des wuchtigen Tempelgebäudes zu. Ein langbeiniger Einheimischer mit gewaltigen Plattfüßen winkte ihn durch. Er trug einen raffinierten Kopfschmuck, der aber nicht verbergen konnte, daß er keinen Hals besaß.
    Der Botschafter und sein Mitarbeiterstab hatten sich vor einem Hintergrund in Schleimgrün, Bonbonrosa und Kanariengelb aufgebaut.
    »… klassischer Coup der Diplomatie«, sagte Pinchbottle. »Ich möchte die Gesichter unserer Groaci-Kollegen sehen, wenn sie merken, daß wir ihnen zuvorgekommen sind.«
    »Herr Botschafter …«, begann Retief.
    Pinchbottle drehte sich um, starrte einen Moment lang einen Punkt über Retiefs Gürtelschnalle an, warf dann den runden Kopf zurück und sah einen Beamten an.
    »Ich hasse es, wenn Sie leise gehen, Retief!« sagte er wütend. »Treten Sie in meiner Nähe ordentlich auf.«
    »Herr Botschafter, ich möchte …«
    Der Diplomat hob die dickliche Hand. »Was Sie möchten oder nicht möchten, interessiert mich nicht, Mister Retief! Die Zeremonie beginnt gleich.« Er wandte sich an das breitere Publikum. »Meine Herren! Sie alle haben beobachten können, wie ich seit unserer Ankunft auf Rockamorra vor knappen sechs Stunden geschuftet habe. Aber der Erfolg ist uns sicher. Wir werden die erste Botschaft sein, die auf diesem Planeten akkreditiert wird. Auf diesem Planeten, der bekannt ist für seinen blühenden Handel und für seine Feindschaft Diplomaten gegenüber. Und doch …«
    »Bevor Sie fortfahren, Herr Botschafter«, unterbrach ihn Retief, »muß ich Ihnen …«
    »Sir, ich spreche«, erinnerte ihn Pinchbottle mit schriller Stimme. »Und zwar über ein wichtiges Thema. Mein Beitrag – äh – zur Geschichte der Diplomatie …«
    Zwei Bewohner von Rockamorra in Festroben kamen mit reich verzierten Kandelabern herbei, denen beißende rote und grüne Rauchwolken entstiegen. Die Männer stellten sich vor den Terranern auf, begannen mit dröhnenden Stimmen einen rituellen Wechselgesang und traten dann zurück. Einer deutete mit seinem dünnen, biegsamen Zeigefinger auf Retief und stieß einen Laut aus, der an das Schränken eines Sägeblattes erinnerte.
    »Wo ist Ihr Kopfputz, Retief?« zischte Pinchbottle.
    »Ich habe keinen; was ich sagen wollte …«
    »Besorgen Sie sich einen. Sofort! Und stellen Sie sich neben mich.« Er marschierte feierlich hinter den Eingeborenen her. Im gleichen Augenblick erreichte Magnan atemlos den Tempel und schwenkte die Kopfpracht, die Retief zuvor verschmäht hatte.
    »Da! Sie haben jetzt nicht mehr die Zeit, um die Ballons aufzublasen.«
    »Lassen Sie nur«, sagte Retief. »Ich brauche das Ding nicht.«
    »Was heißt das? Wir alle müssen sie tragen.«
    »Ich nicht. Ich nehme an der Zeremonie nicht teil. Und ich rate Ihnen …«
    »Glatte Befehlsverweigerung!« sagte Magnan schockiert und eilte dem Botschafter nach, während zwei Wachtposten Retief zurückhielten, weil er keinen Kopfputz trug.
     
    *
     
    Es war eine prunkvolle Zeremonie. Sie enthielt ein

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