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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.E. Lawrence
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worden – der Täter hat sie erst hergebracht.«
    »Ganz genau, das meine ich ja.«
    »Heutzutage gibt es eine Menge Irre da draußen. Die kommen auf alle möglichen bekloppten Ideen.«
    »Wer hat die Leiche identifiziert?«
    »Der Pfarrer. Der hat sie auch entdeckt. Er sagt, er sei zum Morgengebet in die Kapelle gekommen und habe sie dann hier gefunden.« Butts senkte die Stimme, als hätte er Angst, dass ihn jemand außer Lee hören könnte. »Ich hatte mal einen Kerl, der hat seine Mutter ermordet und sie dann für die Messe fein gemacht.«
    »Jemand, der auf diese Art tötet, projiziert seinen Hass auf einen Fremden. Eine solche rituelle Zurschaustellung der Leiche … da geht es nicht um die Person des Opfers.«
    Butts nahm die Zigarre aus dem Mund und steckte sie in seine Hemdtasche. »Okay, Doc – Sie sind der Studierte.« Er drehte sich um zu den Leuten von der Spurensicherung. »Seid ihr langsam fertig? Ich krieg Hunger.« Dann wandte er sich wieder an Lee. »Wie wär’s mit ein paar Eiern zum Frühstück? Ich kenne da einen netten kleinen Laden an der Arthur Avenue.«
    Lee versuchte, sich nicht von der Gleichgültigkeit irritieren zu lassen, mit der der untersetzte Detective dem Tod begegnete. »Danke, vielleicht ein andermal.«
    Butts schien das nicht persönlich zu nehmen. Er watschelte zum Seitenausgang und kratzte sich dabei am Kinn. »Okay, Doc, bis später.«
    »Ich bin in einer Minute hier fertig!«, rief Lee ihm hinterher. Dann erst fiel ihm der junge Pfarrer auf, der zusammengesunken und mit traurigem Gesicht in einer Ecke saß, die Arme um den Körper geschlungen.
    Lee ging zu dem Mann hinüber, der aus der Nähe noch jünger wirkte, mit seiner glatten rosigen Haut und dem glänzenden schwarzen Haar. Sein Gesicht war frei von Bartstoppeln – ja, er sah fast zu jung aus, um überhaupt welche zu haben.
    »Sie kannten das Opfer, Pater …?«, fragte Lee.
    »Michael. Pater Michael Flaherty.«
    »Sie haben die Leiche identifiziert?«
    »Wie ich dem Detective schon sagte, kannte ich sie, weil sie zu meiner –«
    »Gemeinde gehörte?«
    »Nein, sie war eine meiner Studentinnen in Vergleichender Religionswissenschaft.« Seine Stimme klang dünn und drohte zu brechen. Er schaute weg, vielleicht weil er die Tränen unterdrücken musste.
    »Verstehe.«
    »Sie ging hier nicht regelmäßig zur Messe. Das habe ich dem Detective auch schon gesagt. Ich glaube, sie gehörte zu einer anderen Gemeinde.« Er seufzte und rieb sich die Augen. »Ralph wird am Boden zerstört sein, wenn er das erfährt.«
    »Ralph?«
    »Ihr Freund. Netter Junge, studiert Naturwissenschaften.« Der Pfarrer ließ die Hände sinken, eine Geste der Kapitulation. »Ich … ich bin zum Beten gekommen und wollte den Altar herrichten.« Er schaute hinüber zu einer Vase voll verblühter Blumen, die die Köpfe hängen ließen. Ein Mitarbeiter der Spurensicherung hatte sich gerade darübergebeugt und suchte nach Fingerabdrücken.
    Der Pfarrer schluckte. »Und … da lag sie dann.« Er musterte Lee. Er wollte wohl sehen, wie der seine Erklärungen aufnahm. Offenbar versuchte Flaherty, seine Unschuld zu beweisen, was allerdings nicht zwingend bedeutete, dass er auch etwas zu verbergen hatte. Lee wusste, dass auch völlig Unschuldige manchmal in Gegenwart der Polizei nervös wurden.
    »Danke, Pater Flaherty«, sagte Lee und gab ihm seine Karte. »Melden Sie sich bitte, falls Ihnen noch irgendetwas einfällt.«
    Der Pfarrer schaute auf die Karte. »Der Detective hat mir schon seine gegeben. Arbeiten Sie denn nicht zusammen?«
    »Doch, tun wir – nur gehen wir manchmal aus unterschiedlichen Perspektiven an einen Fall heran.« Er hoffte, die Erklärung würde dem Pfarrer genügen. Lee hatte keine Lust, jetzt lange auszuführen, warum Profiler und die traditionellen Ermittler der Polizei nicht unbedingt ein Herz und eine Seele waren.
    Flaherty holte ein Taschentuch hervor und wischte sich die Nase. »Okay. Er hat mir schon die üblichen Fragen gestellt. Ob ich jemanden wüsste, der ihr vielleicht etwas hätte antun wollen und so weiter. Aber mir fällt da absolut niemand ein.«
    Das überraschte Lee nicht. Er ging sogar davon aus, dass sich niemand vorstellen konnte, wer diesem armen Mädchen etwas zuleide tun wollte – abgesehen von ihrem Mörder natürlich. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als das Team von der Gerichtsmedizin Marie in einen glänzenden schwarzen Plastiksack steckte. Marie . Er zwang sich, in Gedanken ihren Namen zu

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