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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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sah, dass er lächelte.
    »Sora«, sagte er und umfasste Gottes Hände mit den seinen. »Sie haben Thomas gefunden.«
    Gleich zu ihren Füßen hockten zwei kichernde kleine Jungen und wuschen einander mit Wasser aus einer verbeulten Blechdose, auf der BOHNEN stand.
    Powell drückte inständig Gottes Hände. »Sora? Sie haben deinen Bruder gefunden. Sie sind unterwegs hierher.«
    Über Powells Schulter sah Gott eine abgemagerte Kuh, die von einem halbwüchsigen Mädchen am Strick geführt wurde. Die Kuh hielt nur mühsam mit dem Mädchen Schritt. Bei jeder Bewegung spannte sich das Fell über ihren Rippen. Grünlicher Schaum quoll aus ihren Nüstern, und ihr Euter schlackerte wie ein leerer Handschuh. Vor den Augen Gottes machte die Kuh einen halben Schritt nach vorn, taumelte rückwärts und starb auf ihren vier Füßen. Einen Moment stand sie noch aufrecht. Dann begann sie mit entsetzlicher Langsamkeit in sich zusammenzusacken, so als würde sie von der Schwerkraft eingeholt, könnte sich aber nicht mit ihr anfreunden. Die Vorderbeine knickten am Knie ein, und dann kippte das hintere Ende seitlich weg und zog den Rest des Körpers mit sich in den Staub.
    Auf der Stelle waren Maul und Augen von Fliegen umschwärmt. Das Mädchen stand da und starrte mit leerem Blick auf den Kadaver. Über die Sprechgesänge der Frauen in der Essensschlange, über das Kichern der beiden Jungen erhob
sich ein hoher, steter Laut, ein dünner, monotoner Klagelaut. Gott wusste, er kam von dem Mädchen, aber ihr Gesicht blieb so starr und ausdruckslos wie zuvor, auch als sie sich niederwarf und die Arme um das tote Tier schlang.
    Das Kichern und Singen, das Plätschern und Klatschen wollte und wollte nicht enden. Gott spürte mit Gewissheit und mit Erleichterung, dass auch für ihn der Tod herbeikam.
    »Sora«, sagte Powell. Das Lächeln war verschwunden; voller Sorge spähte er Gott in die Augen. »Du solltest dich hinlegen. Thomas wird bald hier sein.«
    Gott ließ es zu, dass die Sicherheitsleute ihn wieder ins Zelt hineinführten. Sie halfen ihm, sich auf die Pritsche zu legen, und breiteten eine zweite Decke über ihn.
    In Powells zerknittertem Anzug klingelte es. »Laufen Sie rüber ins Sanitätszelt«, befahl er einem der Agenten, während er seine Taschen nach dem Telefon abklopfte. »Die sollen so schnell wie möglich jemanden herschicken.«
    Er hob den Apparat ans Ohr und drehte sich weg. »Ja?«, sagte er. Eine Pause trat ein. »Tja, leider können Sie mich nicht mehr feuern. Ich trete zurück.«
     
    »Ich muss wirklich selten blöd sein«, sagte Powell. Er hatte das Zelt verlassen, um Sora nicht zu beunruhigen, und stiefelte nun, ins Telefon schreiend, mit wütenden, ziellosen Schritten durchs Lager, gefolgt von einem Geheimagenten und einem stetig wachsenden Tross anbetender Dinka. »Ich hatte allen Ernstes gehofft, Sie blödes Arschloch würden begreifen, dass sich Anstand hier ausnahmsweise mal auszahlt. Politisch auszahlt, meine ich.«
    Pause.
    » Blödes Arschloch hab ich gesagt.«
    Pause.

    »Sich politisch auszahlt deshalb, weil die Wähler, wenn Sie mir hier Rückendeckung geben würden, zur Abwechslung mal einen Präsidenten zu sehen bekämen, der die diplomatische Rhetorik hinter sich lässt und handelt . Der etwas Gutes tut, und sei es noch so gering.«
    Pause.
    »Ach, hören Sie mir doch auf mit heikel und komplex . Wofür halten Sie mich - für irgendein Erstsemester aus Georgetown, das glühend vor Eifer loszieht, um die Welt zu verändern? Heikel und komplex sind die Dinge doch nur, weil wir sie heikel und komplex machen.«
    Pause.
    »Was mit mir passiert ist? Sie möchten wissen, was mit mir passiert ist?«
    Pause.
    »Wie Sie wollen. Nehmen wir einen hypothetischen Fall. Aber gut aufpassen, Sie werden hinterher abgefragt.«
    Pause.
    »Nehmen wir an, Sie sind ein schwarzer Junge, der in der Bronx aufwächst. Stellen Sie sich vor, es ist der heißeste Sommer, den Sie mit Ihren acht Jahren erlebt haben, und der Krieg ist zu Ende und sämtliche Jobs im Viertel sind futsch, weil die ganzen Weißen aus Europa und aus dem Pazifik zurückgekommen sind und selber Arbeit suchen. Also hocken alle tagaus, tagein in der Hitze aufeinander. Und dann stellen Sie sich vor, jemandem reicht’s, und er nimmt einen Stein und schlägt eine Scheibe ein. Wer weiß, warum? Vielleicht weil er Anarchist ist, vielleicht weil er ein Scharfmacher von der Gewerkschaft ist, vielleicht auch einfach aus Langeweile. Eine ganze Woche riechen Sie

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