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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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als zerschlissene Shorts und Sandalen.
    Die drei marschierten zu Powell. Ismail machte dem Jungen ein Zeichen. »Stell dich vor«, befahl er.
    »Ich bin Thomas Mawien«, sagte der Junge in mühseligem Englisch. Er schielte zu Ismail hinüber und schlug dann die Augen nieder. »Der Bruder von Sora.«
    »Ich weiß, wer du bist, mein Junge.« Powell umarmte ihn und wandte sich ab, um ihn ins Zelt zu führen.
    »Sie sind zufrieden, Mr. Powell?«, rief Ismail hinter ihnen her.
    »Sie warten hier draußen«, sagte Powell.
    Im Zelt war es dunkel und kühl. Sandkörnchen trieben in der Luft, angeleuchtet von einem Sonnenstrahl, der durch den offenen Eingang hereinfiel. Eine Ärztin stand an Gottes Pritsche und stellte Gottes Tropf ein.
    »Sora«, sagte Powell. »Thomas ist da.«

    Gott schlug die Augen auf, blinzelte ein paar Mal, hustete. Powell nahm die Ärztin beiseite. »Wie lange müssen Sie sie noch behandeln?«, fragte er. »Wir sollten so bald wie möglich weg von hier. Am besten heute.«
    »Völlig ausgeschlossen«, sagte die Ärztin. »Sie braucht drei oder vier Antibiotikabehandlungen. Sie ist viel zu schwach für den Transport. Vielleicht in einer Woche oder in zweien, wenn’s gut geht. Aber fürs Erste auf gar keinen Fall.«
    Gott stützte sich auf und versuchte die Gestalt am Fußende der Pritsche scharf zu sehen - vielleicht trog sein verschwommener Fieberblick ihn ja doch. Er sah lange hin, während der Junge verschüchtert von einem Bein aufs andere trat.
    »Du bist nicht Thomas«, sagte er schließlich auf Arabisch.
    »Doch«, behauptete der Junge ohne rechten Nachdruck.
    »Nein. Dein Gesicht ist ähnlich, und die Größe stimmt. Aber du bist nicht Thomas.«
    Der Junge rang die Hände. »Bitte«, sagte er.
    »Die Männer, die dich hierhergebracht haben. Haben sie dir gesagt, du sollst dich als mein Bruder ausgeben?«
    »Ja.«
    »Aber du bist es nicht. Du bist nicht Thomas.«
    Der Junge warf einen Blick auf Powell und die Ärztin. »Nein.«
    »Haben sie dir gedroht? Die Soldaten?«
    »Ja.«
    Gott betrachtete ihn einige Sekunden, dann sagte er: »Dreh dich um, aber langsam, damit ich dich anschauen kann.«
    Der Junge gehorchte. Seine Handgelenke, die Knöchel und der Hals waren mit dunklen Striemen bedeckt, wie Lederriemen sie hinterlassen, die zu lange Zeit zu fest angezogen werden. Über den von Arbeit und Unterernährung verbogenen
Rücken zickzackten die wulstigeren Striemen der Peitschenhiebe.
    »Woher kommst du?«, fragte Gott.
    »Bis heute Morgen habe ich Ziegen für einen Mann namens Hamid gehütet.«
    »Und davor? Wo warst du davor?«
    »Weiß nicht«, sagte der Junge. »Hab ich vergessen.«
    Schuldgefühl gerann in Gottes Kehle zu einem Klumpen. Mit letzter Gewissheit wusste er plötzlich, dass dieser Junge und alle anderen im Lager - die Männer, die im Alter auf einmal allein dastanden, die jungen Frauen mit verschwundenen Ehemännern und hungrigen Kindern - seiner Entschuldigung mindestens genauso würdig waren wie Thomas, mindestens genauso tauglich als Altar, auf dem er seine Verfehlungen bekennen und um Vergebung bitten konnte. Gott rutschte von der Pritsche und fiel vor dem Jungen auf die Knie wie ein Moslem beim Gebet. Hinter seinen Augäpfeln brannte und stach es ganz ungewohnt, und er wollte eben zum Sprechen ansetzen, als der Junge sich vor ihn hinkauerte und ihm die Hand auf die Schulter legte.
    »Bitte«, sagte der Junge, »steh auf.« Mit verängstigten Blicken sah er im Zelt umher, als könnten jeden Moment Ismail und die Soldaten hereingestürmt kommen.
    Gott hob den Kopf. »Es tut mir leid«, sagte er.
    »Bitte«, wiederholte der Junge und zog drängend an der Schulter von Gottes Kleid. »Wenn du Schwäche zeigst, macht sie das nur noch böser.«
     
    Einige Stunden nachdem Powell mit dem Jungen abgefahren war - er würde bald zurückkehren, versprach er -, riss Gott sich den Infusionsschlauch aus dem Arm und taumelte ins Freie, um der stickigen Luft im Zelt zu entkommen. Er suchte
den östlichen Horizont ab und sah schon das erste Flugzeug, ein winziges Körnchen Schwarz vor dem Himmel. Nicht lang, und es gesellten sich ein Dutzend mehr dazu, kleine Punkte, die in langsamen, engen Bogen umeinanderkreisten wie ein Schwarm Tsetsefliegen.
    Die meisten Flüchtlinge hatten für den heißesten Teil des Tages in den Hütten oder unter Tamarindenbäumen Schutz gesucht, aber als sich die Nachricht von den seltsamen fernen Pünktchen verbreitete, kam Bewegung in sie. Mütter sahen zum

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