Gottes Tochter
Zeichen der schönern Zeit, Die wir glauben, erwächst einziggenügsam noch, Einzig edel und fromm über dem ehernen, Wilden Boden die Liebe, Gottes Tochter, von ihm allein.
Sei gesegnet, o sei, himmlische Pflanze, mir Mit Gesänge gepflegt, wenn des ätherischen Nektars Kräfte dich nähren, Und der schöpfrische Strahl dich reift.
Wachs und werde zum Wald! eine beseeltere, Vollentblühende Welt! Sprache der Liebenden Sei die Sprache des Landes, Ihre Seele der Laut des Volks!«
Daraufhin legte er sich ins Bett und schlief zwölf Stunden lang. Am Abend verabredete er sich mit Sonja.
»Ins Café ›Tausendschön‹?«, sagte der Taxifahrer. »Ach, die Elfie, die hat den Laden im Griff gehabt, damals, da gabs jeden Abend ein Ereignis, sie hat Glückslose verteilt, ich hab auch mal eins gekriegt, die Elfie, ach ja, die Elfie…«
Heute hatte die Kneipe einen anderen Namen und eine andere Wirtin, deren Mann Shantys auf der Ziehharmonika spielte.
Nachdem sie sich in eine der Nischen gesetzt hatten, legten sie die Hände auf dem Tisch übereinander. Die humanitärste Wirtin der Stadt brachte ihnen zwei Pils.
»Kannten Sie die Elfie, die frühere Wirtin?«, fragte Süden. Er und Sonja Feyerabend waren die einzigen Gäste.
»Ja«, sagte die Wirtin. »Sie ist gestorben, viel zu jung. Unsereiner wechselt, aber die Gäste bleiben.«
»Wo sollten wir auch sonst hin?«, sagte Süden. Als die Wirtin später vom Tresen aus zu ihm hinsah, hielt er immer noch Sonjas Hand. Sie beobachtete ihn oft. Er war ein Gast wie jeder andere, ein unauffälliger Trinker, den man auch nüchtern ertrug. Manchmal ertappte sie sich bei dem Wunsch, er möge heute Abend kommen. Vielleicht, weil sie sich einbildete, er sei jemand, dem sie etwas erzählen konnte, wenn sie unbedingt jemandem etwas erzählen musste. Aber das würde sie niemals tun.
ANMERKUNGEN DES AUTORS
D ie Realität in diesem Roman ist fiktiv. Obwohl sich manches, was hier geschildert wird, tatsächlich ereignet hat, an nachprüfbaren Orten, zu bestimmten Zeiten, handelt es sich an keiner Stelle um eine authentische Geschichte. Wie immer bin ich der Wirklichkeit für ihre nützliche Präsenz dankbar, meine Figuren aber existieren in ihrer eigenen Welt, sie sind Zimmerlinge, hinter den Wänden, die sie umgeben, vermuten sie das Glück.
Die Verse und das Motto aus Shakespeares »Romeo und Julia« stammen aus der Schlegel-Tieck-Ubersetzung. Die Gedichte von Friedrich Hölderlin sind der dreibändigen Ausgabe »Werke und Briefe« entnommen (Band l, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1969). Für den Abdruck der Zeilen aus dem Märchen »Nimmerklug in Sonnenstadt« von Nikolai Nossow, aus dem Russischen übersetzt von Lieselotte Remané, danken Autor und Verlag dem Leipziger Kinderbuchverlag, bei dem das Buch 1995 neu erschienen ist.
Und eine tiefe Verbeugung vor den Menschen, die mir bei den Recherchen geholfen haben. Danken möchte ich besonders:
Sonja Laubach Manfred Puls Tuan Ta Minh Wolfgang Richter Marion Ranze Margit Petzel Karin Lochner Peter von Feibert und Bettina Raasch, ohne die es dieses Buch nicht gäbe.
F. A., im Frühjahr 2003
Buch
E ine Liebe im Schatten persönlicher und gesellschaftlicher Dramatik, lebensnah und aufregend.
Rico aus Rostock und Julika aus München beweisen, dass auch im Deutschland des neuen Jahrtausends verstörende Gefühle, absolute Hingabe und Zueinandergehören bis zum Tod möglich sind. Friedrich Ani überzeugt mit einer verblüffenden Beobachtungsgabe, Sensibilität für Milieus und einer Darstellungsart, in der Poesie und Spannung keine Gegensätze bilden.
Autor
F riedrich Ani, 1959 in Kochel am See geboren, lebt als Schriftsteller in München Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt den Deutschen Krimipreis 2002 für den ersten Band einer Romanreihe um Hauptkommissar Tabor Süden und den Deutschen Krimipreis 2003 für die nachfolgenden drei Bände. Neben seinen Jugendromanen im Carl Hanser Verlag festigten vor allem Die Erfindung des Abschieds und German Angst Friedrich Anis literarischen Rang.
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