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Gottes Tochter

Gottes Tochter

Titel: Gottes Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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    E r war ein Mann, in dessen Vorstellung der Selbstmord keine Tür war, die sich öffnete, sondern eine, die sich schloss. Er war Polizist, der aus Gründen diesen Beruf ergriffen hatte, die ihm heute seltsam und unbedeutend erschienen und ihn, wenn er in einer jener katastrophalen Nächte in seinem gelben Zimmer darüber nachdachte, zwangen sich zu fragen, warum er nicht seine Dienstwaffe, die er nie benutzte, aus der Schublade holte, den Lauf zwischen die Zähne steckte und abdrückte.
    Befeuert vom Genuss des Tabaks, in den er Pilze gemischt hatte, schlug er mit beiden Händen auf die zwischen die Knie geklemmten Bongos, und der Rhythmus und das Brennen in den Fingern katapultierten ihn aus dem rauchverhangenen Zimmer ins Freie, in die Nacht, in die Stadt. Und die Schläge hallten an den Wänden der Häuser und in den Träumen ihrer Bewohner wider, und…
    »Schneller, Julika, schneller!«
    »Die Tasche ist so schwer.«
    »Ich helf dir, warte.«
    »Der Zug fährt gleich ab!«
    »Such du die Gleisnummer raus!«
    »Hab ich doch schon!«
    »Und wenn die Polizei mich was fragt?«
    … der harte Klang – unaufhörlich hämmerten die Finger auf die Trommeln – übertönte die Klingel an der Wohnungstür und das Klopfen und die Stimme. Erst als er für einen Moment Luft holte und sich mit einer schnellen Bewegung den Schweiß von der Stirn wischte, hörte er in der abrupten Stille vom Flur her ein Scharren und einen Fluch.
    »Sofort aufmachen, Sie rücksichtsloser Mensch!«
    Er stellte die Bongos auf den Boden und erhob sich. Als hätte er einen Krampf in den Oberschenkeln, war er unfähig, auch nur einen Meter normal zu gehen. Tatsächlich machte er ein paar Schritte mit nach außen gebogenen Beinen, schüttelte sie und hustete und strich sich die strähnigen Haare aus dem Gesicht. Ohne im Flur das Licht anzuknipsen, öffnete er die Wohnungstür.
    Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt einem angewiderteren Blick begegnet war als dem seiner achtundsiebzigjährigen Nachbarin im Morgenrock.
    »Guten Morgen, Frau Schuster«, sagte er. Sie sagte nichts. Die Mundwinkel nach unten gezogen, die Augen zusammengekniffen, schnüffelte sie wie ein Tier, das Fürchterliches vorhatte. Er unterdrückte ein Husten.
    Sie unterdrückte anscheinend apokalyptische Vergeltung. Der Feuerschweif ihrer Blicke endete über seinem Bauchnabel. Im Gegensatz zu Frau Schuster hatte er nicht das Geringste an und es fiel ihm nicht ein, die Hände herunterzunehmen und sein Geschlecht zu bedecken. Stattdessen stemmte er die Hände in die Hüften und streckte den Bauch vor, was ihn nicht gerade in einen Olympioniken verwandelte.
    »Sind Sie verrückt?«
    Wie eine vor Gift triefende Schlange drang die Stimme in seine Ohren und mitten in sein Nervensystem.
    »Ja!«, schrie er. Und vor Schreck schrie Frau Schuster ebenfalls.
    Sieben Sekunden lang schrien sie parallel aneinander vorbei.
    Süden: »Jaaaa…«
    Frau Schuster: »Aaaahh…«
    In der darauf folgenden Stille, in der er sich einbildete, das Herz von Frau Schuster durch sämtliche Nachtgewänder hindurch schlagen zu hören, ging gegenüber eine Tür auf, und ein muskulöser Mann in Unterhemd und Trainingshose, den er noch nie gesehen hatte, reckte seinen Kopf ins Licht. Er hielt eine Pistole in der Hand.
    »Und jetzt Obacht!«, sagte der Mann. Dann hob er den Arm mit der Waffe. »Wissen Sie, was das ist, da in meiner Hand? Sehen Sie das? Oder haben Sie da Probleme mit den Augen?«
    Frau Schuster drehte sich zu ihm um.
    »Herr Süden ist Polizist«, sagte sie. »Zeigen Sie ihm lieber erst Ihren Waffenschein!«
    »Was?«, sagte der Mann. »Waswas?« Sein Wortschatz schien schlagartig zu schrumpfen. »Waswas?«
    »Was machst du da?«, rief eine Frauenstimme aus dem Dunkel der Wohnung.
    »Waswas?«, sagte der Mann wieder. Vielleicht arbeitete er als Bodyguard für die Nymphe Echo. »Waswas?« Nachdem er noch einmal mit der Pistole auf Süden und wie aus Versehen auch auf Frau Schuster gezielt und daraufhin die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, erinnerte sich Frau Schuster an ihre Mission.
    »Sind Sie krank, Herr Süden? Ich hab bei Ihnen angerufen, viermal, aber Sie sind nicht drangegangen, Herr Süden! Sie können doch um diese Uhrzeit nicht trommeln! Das ist doch irrsinnig, Herr Süden…«
    Inzwischen wusste er, wie er hieß.
    »Ja«, sagte er.
    Auch ihr Schweigen war als Strafe gedacht. Aber es gefiel ihm, dass ihr ein Blick entwischte und unterhalb seines Bauches vorbeiflog. Ihr Kopf

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