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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Beziehungen. Meistens verbringt man erst etliche Jahre als eine Art Springer, das heißt als Sonderfahnder für die Kleinarbeit bei aufwendigen Ermittlungen. Dann arbeitet man sich allmählich über andere Abteilungen nach oben. Cassie hatte nicht mal ein ganzes Jahr bei der Drogenfahndung vorzuweisen. Natürlich kursierte das Gerücht, sie würde entweder mit irgendwem von Einfluss ins Bett gehen, oder sie wäre seine uneheliche Tochter, oder – mit einer Spur mehr Originalität – sie hätte irgendein hohes Tier beim Drogenkauf erwischt und ihre Versetzung zu uns sei eine Art Schweigegeld.
    Ich hatte keine Probleme mit dem Gedanken an Cassie Maddox. Ich war erst seit ein paar Monaten beim Morddezernat, aber mir missfielen die Machosprüche, das neidische Gerede über Autos und Aftershaves, die niveaulosen Witze, die mit dem Etikett »ironisch« gerechtfertigt wurden, was bei mir stets den Impuls auslöste, eine lange, oberlehrerhafte Definition des Begriffs Ironie vom Stapel zu lassen. Im Allgemeinen sind mir Frauen lieber als Männer. Außerdem hatte ich mit eigenen Unsicherheiten zu kämpfen, was meinen Status im Dezernat anging. Ich war fast einunddreißig, hatte zwei Jahre als Sonderfahnder und zwei Jahre in der Abteilung Häusliche Gewalt vorzuweisen, daher war meine Versetzung plausibler gewesen als die von Cassie, doch manchmal hatte ich das Gefühl, unsere Vorgesetzten hielten mich zwar für einen guten Detective, aber nur auf diese diffuse, undurchdachte Art, wie manche Männer eine große, schlanke Blondine für schön halten, selbst wenn sie ein Gesicht wie ein Truthahn mit Schilddrüsenüberfunktion hat: einfach nur, weil ich die Voraussetzungen erfüllte. Meinen gepflegten BBC-Akzent hatte ich mir in einem englischen Internat aus Selbstschutz angeeignet, und diese Britisierung nutzt sich nicht so schnell wieder ab. Obwohl die Iren wirklich jede Mannschaft unterstützen, die gegen England spielt, und obwohl ich eine Reihe von Pubs kenne, wo ich mir keinen Drink bestellen könnte, ohne gleich eins über den Schädel zu kriegen, glauben sie doch, dass jemand mit einem vornehmen britischen Akzent irgendwie intelligenter ist, gebildeter und überhaupt öfter im Recht. Außerdem bin ich groß, habe eine schlaksige Statur, die in einem gut geschnittenen Anzug schlank und elegant wirken kann, und sehe auf meine eigene schräge Art einigermaßen gut aus. Eine Castingagentur würde mich bestimmt als Detective besetzen, wahrscheinlich als den gewieften Einzelgänger, der furchtlos Kopf und Kragen riskiert und am Ende den Schurken zur Strecke bringt.
    Mit so einem Typen habe ich praktisch nichts gemein, aber ich war mir nicht sicher, ob die anderen das auch gemerkt hatten. Manchmal, nach zu vielen einsamen Wodkas, stellte ich mir paranoide Szenarien vor, in denen der Superintendent herausfand, dass ich in Wahrheit ein Beamtensohn aus Knocknaree war, und mich prompt in die Abteilung für Geistigen Diebstahl versetzte. Ich hoffte, dass die Leute mich weniger beäugen würden, wenn Cassie Maddox erst im Dezernat war.
    Als sie schließlich kam, war es fast ernüchternd. Aufgrund der wilden Gerüchte hatte ich jemanden im selben TV-Serienformat erwartet, mit Beinen bis zum Hals und Haaren wie aus der Shampoowerbung und möglichst noch im Catsuit. Unser Superintendent, O’Kelly, stellte sie bei der Besprechung am Montagmorgen vor. Und sie stand auf und sagte das Übliche, wie froh sie sei, bei uns arbeiten zu können, und dass sie hoffe, den hohen Anforderungen des Dezernats gerecht zu werden. Sie war knapp mittelgroß, hatte dunkle Locken und einen jungenhaften, schlanken Körper mit eckigen Schultern. Sie war nicht mein Typ – ich stehe eher auf mädchenhafte Frauen, zierlich und zart, die ich mit einem Arm hochheben und herumwirbeln kann –, aber sie hatte was: Vielleicht war es die Art, wie sie dastand, das Gewicht auf einem Bein, gerade und anmutig wie eine Turnerin; vielleicht war es auch nur das Geheimnis um ihre Beförderung.
    »Ich hab gehört, sie ist mit den Masons verwandt, und die haben gedroht, das ganze Dezernat aufzulösen, wenn wir sie nicht nehmen«, sagte Sam O’Neill hinter mir. Sam ist ein stämmiger, fröhlicher und unerschütterlicher Mann aus Galway. Ich hätte nicht gedacht, dass auch er sich von dem Gerüchte-Tsunami mitreißen lassen würde.
    »Ach, red keinen Blödsinn«, sagte ich, weil ich darauf hereinfiel. Sam grinste, schüttelte den Kopf und schob sich an mir vorbei zu einem

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