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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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nach einem Halt suchte, Jamies Blondhaar, das hoch oben zwischen den schwankenden Blättern wehte. Mein ganzer Körper erinnerte sich an das vertraute Kratzen von Stein an meiner Handfläche, die Anspannung meiner Oberschenkelmuskeln, wenn ich mich nach oben stemmte, hinein in den grünen Strudel und das flimmernde Licht. Ich hatte mich so daran gewöhnt, den Wald als den unbesiegbaren Feind zu betrachten, den Schatten über jedem geheimen Winkel meines Gehirns. Ich hatte völlig vergessen, dass er über viele Jahre meines Lebens unser natürlicher Spielplatz und unser Lieblingszufluchtsort gewesen war. Erst jetzt, als ich sah, wie sie ihn abholzten, wurde mir klar, dass er schön gewesen war.
    Am Ende des Geländes, nah an der Straße, hatte einer der Arbeiter eine Packung Zigaretten unter seiner orangefarbenen Weste hervorgezogen und klopfte seine Taschen nach einem Feuerzeug ab. Ich nahm meines und ging zu ihm.
    »Danke«, sagte er durch die Zigarette, hielt die Hand um die Flamme. Er war um die fünfzig, klein und drahtig, mit einem Gesicht wie ein Terrier: freundlich, unverbindlich, mit buschigen Augenbrauen und einem dicken Schnurrbart.
    »Wie läuft’s?«, fragte ich.
    Er zuckte die Achseln, inhalierte und gab mir das Feuerzeug zurück. »Geht so. Hab schon Schlimmeres erlebt. Nur die riesigen Steinbrocken überall, die sind Mist.«
    »Vielleicht von der Burg. Hier war mal eine archäologische Ausgrabung.«
    »Was Sie nicht sagen«, erwiderte er und deutete mit einem Nicken auf die Demonstranten.
    Ich schmunzelte. »Irgendwas Interessantes gefunden?«
    Seine Augen glitten rasch über mein Gesicht, und ich sah ihm an, dass er mich taxierte: Protestler, Archäologe, Regierungsspion? »Was meinen Sie?«
    »Keine Ahnung, archäologischen Kram vielleicht. Tierknochen. Menschenknochen.«
    Seine Brauen zogen sich zusammen. »Sind Sie von der Polizei?«
    »Nein«, sagte ich. Die Luft roch nass und schwer und satt nach umgegrabener Erde und baldigem Regen. »Zwei Freunde von mir sind hier spurlos verschwunden, damals in den Achtzigerjahren.«
    Er nickte nachdenklich, ohne Überraschung. »Daran erinnere ich mich, ja«, sagte er. »Zwei Kinder. Sind Sie der kleine Junge, der dabei war?«
    »Ja«, sagte ich. »Der bin ich.«
    Er zog tief und gemächlich an seiner Zigarette und blickte mich leicht interessiert an. »Muss hart für Sie gewesen sein.«
    »Es ist lange her«, sagte ich.
    Er nickte. »Knochen haben wir nicht gefunden, soviel ich weiß. Vielleicht von ein paar Kaninchen oder Füchsen, nichts Großes. Sonst hätten wir die Polizei gerufen.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Hat mich bloß interessiert.«
    Er dachte eine Weile nach, ließ den Blick über das Gelände schweifen. »Einer von den Kollegen hat das hier gefunden«, sagte er. Er kramte in allen Taschen, von unten nach oben, und holte schließlich etwas unter seiner Weste hervor. »Wofür würden Sie das halten?«
    Er ließ das Ding in meine Hand fallen. Es war blattförmig, flach und schmal und etwa so lang wie mein Daumen, aus einem glatten Metall, das matt angelaufen war. Ein Ende war gezackt und offenbar vor langer Zeit von irgendetwas abgebrochen. Er hatte versucht, es zu säubern, aber stellenweise war es noch mit harter Erde verkrustet. »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Eine Pfeilspitze vielleicht oder von einem Anhänger.«
    »Er hat es im Dreck an seinem Schuh entdeckt, in der Pause«, sagte der Mann. »Er hat’s mir gegeben, für den Kleinen von meiner Tochter. Der interessiert sich für Archäologie und so.«
    Das Ding lag kühl und erstaunlich schwer in meiner Hand. Auf einer Seite bildeten halb verwitterte schmale Rillen ein Muster. Ich hielt es schräg ins Licht: ein Mann, kaum mehr als eine Strichfigur, mit einem breiten Hirschgeweih.
    »Sie können es behalten, wenn Sie wollen«, sagte der Mann. »Der Kleine wird nichts vermissen, wovon er nichts weiß.«
    Ich schloss meine Hand um den Gegenstand. Die Ränder drückten sich in die Haut, und ich spürte, wie mein Puls dagegenschlug. Es gehörte vermutlich in ein Museum. Mark wäre ganz aus dem Häuschen gewesen. »Nein«, sagte ich. »Danke. Ich finde, Ihr Enkel sollte es haben.«
    Er zuckte die Achseln und zog die Stirn kraus. Ich gab es ihm zurück. »Danke, dass Sie es mir gezeigt haben«, sagte ich.
    »Keine Ursache«, sagte der Mann und steckte es wieder in die Tasche. »Viel Glück.«
    »Ihnen auch«, sagte ich. Es fing an zu regnen, ein feiner, diesiger Nieselregen. Der Mann warf

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