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Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi

Titel: Grabt Opa aus - Ein rabenschwarzer Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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In medias res
    Sein Leben als Leiche begann an einem Spätnachmittag im Herbst, ohne dass er es merkte.
    Über ihm paddelte eine Stockente männlichen Geschlechts. Irgendwie niedlich, wie sie mit ihren Patschefüßchen durchs Wasser pflügte, zielstrebig auf das Ufer zu, wo es flach war und sie gründeln konnte. Schließlich war es Abendbrotzeit. Die Sonne lugte gerade noch so über die Bergspitzen und tauchte den Wildsee in glitzerndes Blaugrün.
    Er war nicht allein. Sie wogten zu mehreren im Wasser. Nicht alle von ihnen hatten allerdings noch Fleisch auf den Knochen. Eigentlich war er der einzige Unskelettierte. Jedenfalls dachte er das, bis er sich umdrehte und den Kollegen hinter sich sah. Der hatte noch fleischige Augäpfel in seinem ansonsten von Fischen und anderem Seegetier abgenagten Schädel.
    Er hätte sich jetzt gern übergeben, aber dann hätte er in die durchsichtige Plastiktüte gekotzt, die man ihm über den Kopf gestülpt und am Hals zugeschnürt hatte. Sie war überhaupt der Grund, warum er noch lebte. Wegen des Rests Sauerstoff in der Tüte. Den er jedoch zusehends wegatmete. Er wurde müde.
    Von oben, vom Ufer, konnte man ihn zweifellos nicht sehen. Zum einen bildete das Reet einen Sichtschutz. Die meisten Menschen, sogar Anwohner, dachten ja, hier sei der See nur mehr ein Sumpf. Dabei war das seine tiefste Stelle. Hier, gleich hinter dem Schilfrohr, das vom Ufer aus als blickdichter Vorhang diente. Aber wer hätte ihn schon sehen sollen – es war kein Bilderbuchherbst, und bei dem ungemütlichen Nieselwetter saß man sowohl als Tourist wie auch als Anwohner lieber irgendwo im Trockenen und trank seinen Jagertee oder sein Zipfer.
    Er blickte nach unten. Man hatte ihn mit Seilen an einen Felsblock gebunden. Würde er ohne Taschenmesser loskommen?
    Er wandte den Kopf wieder zu der Ente nach oben. Sie war kaum noch auszumachen. Der Hunger trieb sie voran.
    Gründeln. Einer Sache auf den Grund gehen. Das musste er jetzt auch. Warum, bitteschön, wollte ihn jemand umbringen? Und WER ?
    Aber von Anfang an ...

1
Herr Hofrat lässt grüßen
    Was man seinem ärgsten Feind wünscht: Fußpilz. Kopfläuse. Wohnungsbrand. Erbschaft.
    Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Aber am besten alles zusammen.
    Ha , würden die meisten darauf einwenden, ich wünschte, mir würde mal jemand was vererben. Erben, das ist doch toll. Also vielleicht nicht das Erben an sich, aber das Geerbthaben. Will heißen: die Erbschaft. Als solche. Immer her damit!
    So oder ähnlich sprechen wohl Unbedarfte. Solche, die es noch nicht erlebt haben.
    Natürlich ist man hinterher schlauer. Nachdem man geerbt hat. Weil nämlich, man kriegt immer weniger, als man denkt, und das, was man kriegt, macht einen nicht glücklich. Oder andere wollen es haben. Oder alles drei.
    Aber wir wollen nicht vorgreifen ...
    Als Alfie an jenem unseligen Vormittag, den er für einen ganz normalen Vormittag hielt, den Brief aus Österreich bekam, tauchte er nach einem Blick auf die Briefmarke und den Poststempel in ein Wechselbad der Gefühle: Erst war er perplex – wobei sich diese Phase zog –, dann hin und weg, dann ungläubig, schließlich euphorisch. Ein Brief aus dem Ausland!
    Besagte Perplexität gründete auf der Tatsache, dass er in Österreich niemanden kannte, wiewohl er sich dumpf erinnerte, mit seiner Großmutter in der Kindheit einmal Sommerferien in Mittenwald verbracht zu haben. Das liegt ja so nahe an der Grenze, dass er dort zweifellos einem Österreicher begegnet sein musste. Aber der würde sich ebenso wenig an ihn erinnern, wie umgekehrt Alfie sich an den Österreicher erinnerte. So ein Österreicher schrieb ihm nicht drei Jahrzehnte später. Womöglich war er auch schon tot, dieser Österreicher. Und posthum würde er ihm schon gar nicht schreiben. Und wenn doch, dann wär’s creepy.
    Als Alfie den Umschlag mit den Zinken einer Kuchengabel gewissenhaft aufschlitzte – er war kein Freund von Spontaneität, Chaos und schludrig geöffneten Briefumschlägen –, erwies sich der Inhalt denn auch nicht als später Urlaubsgruß, sondern als höchst anwältliches Schreiben. Von einem Rechtsanwalt. Bestimmt ein Hofrat. Waren in Österreich nicht alle Anwälte Hofräte? Obwohl’s gar keinen Hof mehr gab? Alfie geriet ins Grübeln. Konzentration auf das Wesentliche war seine Sache nicht. Doch dann sah er die Betreffzeile ...
    Seefeld in Tirol
    Re: Erbsache Matthias Gänswein
    Sehr verehrter Herr Alfred Gänswein,
    mit großem Bedauern

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