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Graf Petöfy

Graf Petöfy

Titel: Graf Petöfy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Lustspiel, das gegeben wird, kann doch höchstens vier Akte haben, vielleicht nur drei: gegen neun ist alles aus, und das Fräulein hat noch vollauf Zeit zur Toilette.«
    »Wird aber angegriffen sein.«
    »Um desto besser. Ich habe das beobachtet. Unsere Theaterdamen sind nie reizender als unmittelbar nach dem Spiel. Sie haben dann noch etwas von dem künstlerischen Hochflug und sind doch zugleich leise fatigiert von der Anstrengung. Dieser Kampf ist entzückend. Un peu languissant. Aber wem sag ich das?«
    Egon wollte sich mit Rücksicht auf die Visite, die der Oheim noch vorhatte, von seinem Platz erheben, der alte Graf aber hielt ihn zurück und sagte:
    »Noch ein Wort, ehe ich dich fortlasse. Du kennst Tante Judith besser als ich – Geschwister kennen sich eigentlich überhaupt nicht –, wogegen du des Vorzugs genießest, nur ihr Neffe zu sein, und so sage mir denn, glaubst du, daß wir der Tante die Franz plausibel machen, oder mit anderen Worten, daß ich ihr zumuten darf, sie bei nächster Gelegenheit in ihren petit cercle zu ziehen? Haben wir Chancen oder nicht? Judith ist im ganzen genommen ohne Standesvorurteile, was ich gerecht genug bin ihr als eine der wenigen Segnungen ihrer strengen Kirchlichkeit in Rechnung zu stellen. Jedenfalls bin ich mitunter überrascht, sie so zu sehen, wie sie ist. Aber eine Schauspielerin! Und nun gar noch eine solche! Ja, wenn es eine Tragödin wäre, Volumnia oder Arria oder mindestens die alte Galotti. Das Fach der Heldenmütter ist, wenn nicht geradezu sakrosankt, so doch immer mehr oder weniger zulässig, eine Respektabilitätsflagge, die das Fahrzeug deckt. Aber Liebhaberin, Soubrette! Soubrette, die reine Piratenflagge!«
    »Doch wen soll sie rauben?«
    »Vielleicht mich«, lachte der Oheim und fuhr dann fort: »Es gibt keine Torheit, deren sie mich nicht für fähig hält. Sie würde schließlich jede verzeihen, aber die tollste hält sie für möglich. Sie sieht in mir einen ewigen Jüngling und beweist mir, daß mein Leben eine Kette von Jugendtorheiten sei, ja, sie hat sich, glaub ich, in den Kopf gesetzt, eine Jugendtorheit werde auch mein Leben beschließen. Zuletzt wär es nicht das schlimmste. Jedenfalls gut ungarisch, und am Ende stirbt sich's besser jugendlich als ältlich.«
    In diesem Augenblick hörte man Militärmusik, und der alte Graf erhob sich. »Ein Uhr. Es ist die höchste Zeit. Und nun mache der Tante drüben deinen Besuch und sondiere. Du mußt sehen, aus des Fräuleins Namen einigen Nutzen zu ziehen. ›
Franziska Franz‹
– man kann kaum österreichischer aus der Taufe gehoben sein. Ist es nicht, als flattere der Doppeladler direkt über einem? Ich vertraue ganz deiner Klugheit. Und erzähl ihr auch, vielleicht käme Liszt; das macht sie guter Laune. Alles, was Pio Nono mit der Hand gestreift hat, ist gesegnet ein für allemal. Ich persönlich ziehe die Wolter vor.«
    Und so sprechend, gingen sie den Korridor hinunter bis an die Marmortreppe, wo man sich rasch trennte, der alte Graf, um dem Fräulein, Graf Egon aber, um der Tante seinen Besuch zu machen. Alles, was er eben gehört hatte, ging ihm durch den Kopf, ohne daß es ihn geradezu verstimmt hätte, denn er liebte den Oheim wirklich und verzieh ihm gern und leicht seinen dann und wann etwas exzentrisch auftretenden Theaterenthusiasmus. Aber wenn dieser Enthusiasmus auch noch größer und seine Liebe zum Oheim geringer gewesen wäre – der Onkel war eben ein »Erbonkel« und mußte daraufhin um so vorsichtiger behandelt werden, als das durch die Tante repräsentierte Gundolskirchensche Vermögen ohnehin in einer steten Gefahr war, von der Familie fort – und irgendeinem kirchlichen Orden, sehr wahrscheinlich dem der Liguorianer, zuzufallen.
     
Drittes Kapitel
     
    So verging der Vormittag.
    Am Abend war das Fest, die junge Schauspielerin erschien und wurde der Gräfin Judith vorgestellt.
    Aber ehe diese Vorstellung stattfinden konnte, hatte sich ein Zwischenfall ereignet, der, wenn nicht das Fest selbst, so doch die Stimmung desselben ernsthaft in Frage gestellt hatte.
    Zu neun Uhr war geladen worden, und der alte Graf wartete schon der ersten Gäste, namentlich aber Judiths, als Egon in Begleitung zweier Freunde, der Grafen Pejevics und Coronini, erzherzogliche Adjutanten wie er, im Festsaal erschien und in sichtlicher Erregung auf den Oheim zuschritt. Dieser begrüßte die Herren mit der ihm eigenen Artigkeit, nahm aber an ihrer Haltung sehr bald wahr, daß etwas geschehen sein

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