Tödliche Recherche
Kurt Lehmkuhl
Tödliche Recherche
Tatort Grenzland - Aachener Kr im is
Meyer & Meyer Verlag
© 1997 by Meyer
Im Wassergraben von Schloß Burgau dümpelt eine Leiche. Zwei Tage nach der Kommunalwahl in Düren hat dort ein Nachwuchsjournalist in volltrunkenem Zustand sein Leben lassen müssen. Sein Freund und Kollege Helmut Bahn, Redakteur beim Dürener Tageblatt, glaubt nicht an einen Unfall oder ein Unglück. Während die
Kriminalpolizei den Todesfall schnell zu den Akten legt, recherchiert der Journalist und gerät in eine Geschichte voller Intrigen, die auch vor seiner eigenen Redaktion nicht Halt machen. Dabei dreht sich das mysteriöse Geschehen immer wieder um „Die Nummer eins“.
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.
Dienstag, 5. November
Jakob Müller hatte schon viel gesehen im und am Schloß Burgau im Burgauer Wald am Ortsrand von Niederau. Den erfahrenen Mitarbeiter des Grünflächenamtes der Stadt Düren konnte anscheinend überhaupt nichts mehr aufregen, er hatte schon allerlei mitgemacht: geköpfte oder strangulierte Schwäne oder Enten, die nachts mit Pfeil und Bogen oder Luftgewehr aus dem Wassergraben gejagt und gequält worden waren. Auch die zertrampelten Blumenbeete und die umgeknickten, frisch angepflanzten Bäumchen hatte er in seiner langjährigen pflegerischen Arbeit am Schloß Burgau schon zu oft miterlebt, um sich darüber überhaupt noch aufzuregen. Die Menschen sind halt doof, hatte sich der im Dienst ergraute Mann zur Lebensmaxime gemacht, die können nicht anders.
Er machte in solchen Fällen eine Meldung an seinen Vorgesetzten im Dürener Rathaus und betrieb Schadensbekämpfung. Damit war für ihn der Dienstweg eingehalten, dann hatten sich andere darum zu kümmern.
Müller genoß es trotz allem, am Burgauer Wald zu arbeiten. Er hatte das Schloß noch als Ruine gekannt, die nach dem Krieg langsam verfiel, bevor sich aus der Niederauer Schützenbruderschaft Sankt Cyriakus ein Freundeskreis „Rettet Burgau“ gegründet hatte, der emsig den Wiederaufbau des Schlosses betrieb. Mit viel Engagement, Eigenleistung, öffentlichen Zuschüssen und den Erlösen der Burgfeste in den vergangenen Jahren gelang der ehrgeizige Aufbauplan.
Nun strahlte das Prunkstück fast wieder im alten Glanz. Die über Jahrzehnte währenden Restaurierungsarbeiten an dem idyllischen Gemäuer standen kurz vor dem Abschluß. Jetzt konnte sich Müller darüber freuen, dieses Juwel in seiner Schönheit tagtäglich sehen zu können, und er war begeistert darüber, daß es wieder viele gesellschaftliche Ereignisse im Schloßsaal gab. Die Stadt Düren hatte Schloß Burgau als ihre „gute Stube“ wiederentdeckt.
Typisch Politiker, dachte sich Müller. Als gebaut wurde, gab es nur viele vollmundige Versprechen. Jetzt brüsten sich Rat und Verwaltung mit dem schönen Bau. Das war in den letzten Monaten so und so würde es auch in den nächsten Monaten sein. Daran würde sich auch nichts nach der Kommunalwahl am vergangenen Sonntag ändern, bei der es ein überraschendes Ergebnis gegeben hatte. Müller interessierte sich dafür nur am Rande, die Politiker sind ja doch alle gleich. Damit war für ihn die Wahl abgehakt, er kümmerte sich wieder um seine Arbeit.
In rheinischer Entschlossenheit konnte sich Müller zwar kurzzeitig über den immer wieder verübten Vandalismus im Burgauer Wald ärgern. Er packte dann aber entschieden wieder an und versuchte erneut, seinen Teil dazu beizutragen, die Schloßanlage und den Wassergraben noch schöner zu machen.
So rechnete Müller bei seinem routinemäßigen Kontrollgang auch an diesem Tag mit allem und mit nichts, als er den ockergelben, altersschwachen Pritschenwagen des städtischen Bauhofes auf dem Parkplatz vor dem Schloß abstellte und durch die vollständig erneuerte Vorburg über die Brücke zum Hauptgebäude schritt. Das kleine Café hatte an diesem kaltnassen Novembermorgen verständlicherweise noch geschlossen.
Die wenigen Gäste, die in diesen Tagen überhaupt auf ein Stück Kuchen oder eine Tasse Kaffee kommen würden, waren Bewohner des benachbarten Schenkel-Schoeller-Stifts, des Alten-wohn- und Pflegeheims an der Von-Aue-Straße. Die aber kamen allenfalls am Nachmittag.
Müller war allein auf dem großen Gelände. Er genoß die Ruhe und Harmonie, die Natur und Schloß ausstrahlten. Gewohnheitsmäßig lehnte Müller sich auf der steinernen
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