Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
1 .
Die Nacht zum achten Dezember
Als das Telefon klingelt, wird Erik Maria Bark aus einem Traum gerissen. Bevor er richtig wach ist, hört er sich selbst sagen:
»Ballons und Luftschlangen.«
Plötzlich aus dem Schlaf gerissen, pocht sein Herz. Erik weiß nicht, was er mit seinen Worten gemeint haben könnte, hat keine Ahnung, worum es in seinem Traum ging.
Um Simone nicht zu wecken, schleicht er sich aus dem Schlafzimmer und schließt die Tür, ehe er sich meldet.
»Erik Maria Bark.«
Ein Kriminalkommissar namens Joona Linna fragt ihn, ob er wach genug ist, um wichtige Informationen aufzunehmen. Als er den Worten des Kommissars lauscht, fallen seine Gedanken immer noch in die dunkle Leere nach dem Traum.
»Man hat mir gesagt, dass Sie Experte für Traumabehandlung sind«, sagt Joona Linna.
»Ja«, antwortet Erik knapp.
Während er den Ausführungen des Polizisten lauscht, nimmt er eine Schmerztablette. Der Kommissar erklärt, er müsse jemanden vernehmen. Ein fünfzehnjähriger Junge sei Zeuge eines Doppelmords geworden. Es gebe nur leider das Problem, dass der Junge selbst lebensgefährlich verletzt worden sei. Sein Zustand ist instabil, er hat einen medizinischen Schock erlitten und ist bewusstlos. In der Nacht ist er aus der Neurologie in Huddinge in die Neurochirurgie des Karolinska-Universitätskrankenhauses in Solna verlegt worden.
»Wer ist der behandelnde Arzt?«, fragt Erik.
»Daniella Richards.«
»Sie ist sehr kompetent, und ich bin mir sicher, dass sie …«
»Sie wollte, dass ich Sie anrufe«, unterbricht ihn der Kommissar. »Sie braucht Ihre Hilfe, und es ist anscheinend ziemlich dringend.«
Erik kehrt ins Schlafzimmer zurück, um seine Kleider zu holen. Der Lichtstreifen einer Straßenlaterne fällt zwischen den beiden Rollos ins Zimmer. Simone liegt auf dem Rücken und sieht ihn mit seltsam leeren Augen an.
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, sagt er gedämpft.
»Wer war das?«, fragt sie.
»Ein Polizist … ein Kriminalkommissar, ich habe seinen Namen nicht richtig verstanden.«
»Was wollte er?«
»Ich muss ins Karolinska«, antwortet er. »Sie brauchen meine Hilfe bei einem Jungen.«
»Wie spät ist es eigentlich?«
Sie sieht auf den Wecker und schließt die Augen. Er sieht, dass die Falten des Betttuchs auf ihren von Sommersprossen übersäten Schultern Streifen hinterlassen haben.
»Schlaf weiter, Sixan«, flüstert er.
Erik trägt seine Kleider in den Flur, macht Licht und zieht sich rasch an. Eine glänzende Stahlklinge blitzt hinter ihm auf. Erik dreht sich um und sieht, dass sein Sohn seine Schlittschuhe an die Klinke der Wohnungstür gehängt hat, damit er sie nicht vergisst. Obwohl Erik in Eile ist, geht er zur Kleiderkammer, zieht eine Kiste ins Licht und sucht die Kufenschoner heraus. Er schiebt sie über die scharfen Klingen, legt die Schlittschuhe anschließend auf den Teppich und verlässt die Wohnung.
Es ist drei Uhr nachts am Dienstag, den 8 . Dezember, als sich Erik Maria Bark ins Auto setzt. Träge fällt Schnee aus einem schwarzen Himmel. Es herrscht völlige Windstille, und die schweren Flocken legen sich schläfrig auf die leere Straße. Er dreht den Schlüssel im Zündschloss, und Musik rollt heran wie sanfte Wellen: Miles Davis’ Kind of Blue.
Er fährt die kurze Strecke von der Luntmakargatan zur nördlichen Stadtgrenze durch die schlafende Stadt. Hinter dem fallenden Schnee kann man das Wasser der Brunnsviken als große, dunkle Öffnung erahnen. Langsam rollt er auf das Krankenhausgelände, zwischen dem unterbesetzten Astrid-Lindgren-Kinderkrankenhaus und der Entbindungsstation hindurch, an Strahlentherapie und Psychiatrie vorbei, parkt auf seinem angestammten Platz vor der neurochirurgischen Klinik und steigt aus dem Wagen. Das Licht der Straßenlaternen spiegelt sich in den Fenstern des hohen Gebäudekomplexes. Auf dem Besucherparkplatz stehen nur vereinzelte Autos. In der Dunkelheit zwischen den Bäumen bewegen sich Amseln mit raschelnden Flügeln. Erik fällt auf, dass man die Autobahn um diese Uhrzeit nicht hört.
Er steckt seine Zugangskarte in den Schlitz, gibt den sechsziffrigen Code ein, betritt das Foyer, nimmt den Aufzug in den fünften Stock und geht den Flur hinab. Das Licht der Neonröhren an der Decke schimmert auf dem blauen PVC -Boden wie Eis in einem Straßengraben. Erst jetzt, nach dem plötzlichen Adrenalinstoß, spürt er, wie müde er in Wahrheit ist. Der Schlaf ist so erholsam
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