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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Friedensprojekt »Atlantropa« doch noch umzusetzen. Auch in Romanen ganz anderer Thematik findet das Projekt als Kuriosum oder Faszinosum Erwähnung, was für den Bekanntheitsgrad der Idee spricht.
    Regelrecht geadelt wurde Sörgels Projekt von den Techno­kraten der jungen Sowjetunion, die sich mit Makroprojekten aus der Rückständigkeit geradewegs in die Zukunft katapultieren wollte. Dort befand man 1932 auf einem Ingenieur- und Technikerkongress, ein Unternehmen solchen Maßstabs könne im Westen gar nicht umgesetzt werden, weil es für das dem Untergang geweihte kapitalistische System ein paar Nummern zu groß sei. Wäre aber dereinst der siegreiche Sozialismus auch im Westen angekommen, würde er dieses Vorhaben in die Tat umsetzen.
    Der sowjetische Befund war nicht ganz falsch hinsichtlich der Verwirklichung des Projekts. Auch wenn Atlantropa keineswegs, wie man aus heutiger Perspektive vermuten könnte, von vornherein als abwegige Utopie abgetan wurde, gelang es Sörgel und seinen Mitstreitern nicht, mehr voranzutreiben als Planungen und Werbemaßnahmen. Selbst für das Europa von heute wäre ein solches Unternehmen kaum zu bewältigen, obwohl doch seither ein viel höherer Grad an zwischenstaat­licher und institutionalisierter Zusammenarbeit erreicht wurde. Die europäischen Länder hatten in den Dreißigerjahren angesichts der Weltwirtschaftskrise und ihrer Folgen drängendere Sorgen, als ein Projekt anzugehen, dessen Nutzen erst Jahrhunderte später sichtbar werden würde. Vor allem aber war das politische Klima nicht danach, ein europaweites Projekt anzugehen, dessen Natur und Dimension ein hohes Maß an einvernehmlicher Abstimmung zwischen den Hauptstädten des Kontinents zur Voraussetzung hatte. Weder der Völkerbund, Vorläufer der UNO, noch die Paneuropa-Bewegung des Österreichers Coudenhove-Kalergi fanden damals genügend Unterstützung, um dem um sich greifenden Nationalismus in Europa etwas entgegenzusetzen. Eine Realisierung von Sörgels Lebenstraum wäre wohl überhaupt nur dann vorstellbar gewesen, wenn wenigstens einige europäische Regierungen, darunter mindestens ein Anrainerstaat des Mittelmeeres, sich darauf verständigt hätten, die Mammutaufgabe anzugehen. Vollends obsolet aber wurde die Vorstellung einer europaweiten Unternehmung, seit 1933 Adolf Hitler deutscher Reichskanzler geworden war.
    Man könnte vermuten, ein gigantomanisches Projekt des Zuschnitts von Atlantropa, das den europäischen Lebensraum erweitern und für den vereinten Kontinent Großmachtfantasien hegte, müsste das Interesse Adolf Hitlers geweckt haben, der ja ebenfalls expansiv und gigantomanisch orientiert war. Allerdings waren Herman Sörgels Pläne nach Süden ausgerichtet, während Hitler als Marschrichtung einer großdeutschen Expansion den Osten im Sinn hatte. Und während die Idee Atlantropa auf einem föderativen Europa fußte, verfolgte Hitler das Ziel einer deutschen Hegemonie.
    Bei allem politischen Opportunismus zum Wohle seines Projekts wurde Sörgel nie Mitglied der NSDAP und schrieb auch weiterhin gegen den Krieg, den er zumindest innereuropäisch mit einem gesamteuropäischen Vorhaben wie At­lantropa ausschließen wollte. Verfolgt wurde Sörgel zur NS-Zeit allerdings auch nicht. Zwar stand man ihm tendenziell misstrauisch gegenüber und behinderte seine Projektarbeit immer wieder, setzte seinem Treiben aber auch kein Ende, ja unterstützte es gelegentlich sogar. Einen Aspekt seines Projekts nutzte Sörgel jedoch einigermaßen opportunistisch, um es nationalsozialistischen Politikern schmackhaft zu machen: Die Vorstellung dreier künftiger Weltmächte Panamerika, Asien und Atlantropa modifizierte er zugunsten der Achsenmächte Italien und Deutschland als »Pfeiler Atlantropas«. Das brachte seiner Idee aber wenig mehr ein als einzelne Unterstützer und die weitgehende Duldung seiner Arbeit. Immerhin ermöglichten die Schwierigkeiten Herman Sörgel, sich nach dem Untergang des Nazireiches als Verfolgter darzustellen. Ungehindert von den alliierten Behörden, konnte Herman Sörgel die PR-Arbeit für Atlantropa nach dem Krieg sogleich wiederaufnehmen, 1950 startete in den Kinos sogar ein Werbefilm für das Vorhaben.
    Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und dem sich anschließenden desolaten Zustand Europas erlebte das Projekt nunmehr mit den Aspekten Friedensbewahrung und Völkerverständigung eine kleine Renaissance. Unverdrossen propagierte Sörgel sein Projekt jetzt als friedensstiftende

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