Grandios gescheitert
Aufbauarbeit. Die Welt nach zwei verheerenden Kriegen nun wirklich und zum Besseren zu verändern war damals, nach dem Schrecken des Totalitarismus und unter dem Eindruck des heraufziehenden Kalten Krieges, für viele ein ehrenwertes Anliegen. Der schwierige Aspekt von Natureingriff und Umweltfolgen, der heute klar auf der Hand liegt und das Unternehmen höchst fragwürdig macht, blieb noch immer ein Randthema, das Sörgel mit gewohnt großer Geste abtat.
Politiker der zweiten und dritten Reihe, Wirtschaftsvertreter und schließlich sogar die UNO reagierten wohlwollend auf den Relaunch des Unternehmens, zumal die Rohstoffreserven Afrikas allmählich in den Blick der Entscheidungsträger rückten. Und die unterstützende Wirtschaft gehörte solchen Branchen an, die sich von großen Bauprojekten Aufträge erhofften. Nur blieb es abermals bei folgenloser Zustimmung, zumal das nahende Atomzeitalter einen zentralen Aspekt Atlantropas, nämlich die Absenkung des Mittelmeeres zur Energiegewinnung durch Wasserkraft zu nutzen, als überholt erscheinen ließ. Als schließlich Herman Sörgel 1952 auf dem Weg zu einem Vortrag in München bei einem Verkehrsunfall plötzlich zu Tode kam, starb nach dem Erfinder und wichtigsten Propagandisten von Atlantropa bald auch das Projekt selbst. 1958 wurde Sörgels Atlantropa-Institut endgültig aufgelöst.
Wie ein monströser Eingriff in die Schöpfung
DIE KREUZUNG VON AFFE UND MENSCH
In den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts stellte die noch junge Sowjetunion für Wissenschaftler ein wahres Mekka dar. Hier schien möglich, woran anderswo kaum zu denken war, weil der bolschewistische Staat die Bedeutung der Wissenschaft als Katalysator für die gesellschaftliche Entwicklung als maßgeblich ansah und sie entsprechend unterstützte – und das als erstes Land überhaupt. Fachübergreifend träumten Forscher gemeinsam mit den kommunistischen Machthabern von einer Zukunft, in der die sozialistische Gesellschaft die Früchte technologischer und wissenschaftlicher Errungenschaften unterschiedlichster Art würde ernten können. Da ist es kaum verwunderlich, dass sich Forscher aus aller Welt in der Sowjetunion die Klinke in die Hand gaben, um an dieser stürmischen Entwicklung Anteil zu nehmen und vielleicht davon zu profitieren.
Zwischen der Oktoberrevolution 1917 und dem Ende der Zwanzigerjahre entstand so eines der größten Wissenschafts- und Forschungssysteme der Welt. Die enormen Investitionen in Forschungsinstitute und Projekte sind erstaunlich unter dem Aspekt, dass das Land nach Revolution und Bürgerkrieg daniederlag und es vielerorts am Nötigsten mangelte. Viele Wissenschaftler wurden sogar privilegiert versorgt: zum einen um eine Abwanderung der dringend benötigten Fachleute zu verhindern, zum anderen weil man Investitionen in die Wissenschaft als in Bälde ertragreich einschätzte. Wessen Arbeit für vielversprechend erachtet wurde, erhielt trotz schlechter Versorgungslage mehr Lebensmittel als andere, konnte trotz Kollektivierung sein Haus behalten und musste weder Militärdienst leisten noch zum Arbeitseinsatz ausrücken. Noch war dabei gleichgültig, ob man proletarischer oder bürgerlicher Abstammung war, ob man an der Revolution teilgenommen hatte oder nicht, auf welcher Seite man im Bürgerkrieg gestanden hatte.
Zunächst aus der dezentralen Wissenschaftslandschaft des zaristischen Russland weiterentwickelt, wurde der Forschungssektor zwar nach und nach zu einem immer stärker zentralisierten System, in dem der sozialistische Staat bestimmte, was in Forschung und Wissenschaft geschah. Zunächst aber konnten, trotz allen Misstrauens seitens der Bolschewiki, die »bürgerlichen« Wissenschaftler aus der Zarenzeit ihre Arbeit weitgehend ungehindert fortsetzen, da der sozialistische Staat seine eigenen »proletarischen« Wissenschaftskader erst noch heranzüchten musste. In Ermangelung verfügbarer marxistisch indoktrinierter Forscher griff die Sowjetunion auf die alte Garde zurück und ließ sie weiterarbeiten. Es handelte sich also um eine Übergangsphase, die bis Ende der Zwanzigerjahre dauerte und die der Wissenschaft eine erstaunliche Autonomie verschaffte – zunächst.
Nach und nach entstanden diverse Regierungsinstitutionen, die nebeneinander für bestimmte Gebiete zuständig waren, und auch diese Zersplitterung der staatlichen Zuständigkeiten kam der Autonomie der Forschung zupass, weil sie mehr Freiheiten bot als zentralisierte Entscheidungswege. Die
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