Grappas Gespuer Fuer Schnee
weddingplanner. Aldwin von Elberberg meldete sich – von wo aus auch immer.
Die Mail war kurz:
Das Verbrechen wird verherrlicht, weil es eine der schönen Künste ist, weil es nur das Werk von Ausnahmenaturen sein kann, weil es die Monstrosität der Starken und Mächtigen enthüllt, weil auch noch die Ruchlosigkeit ein Privileg ist.
Wieder eine Verharmlosung einer der schlimmsten Handlungen, die ein Mensch begehen kann, dachte ich. Der Kerl war unbelehrbar.
Ich gab den Anfang der Mail in eine Suchmaschine ein und erfuhr, dass der Satz von Michel Foucault stammte.
Ich schob den Gedanken an den flüchtigen Mörder beiseite, um mich auf meinen Artikel konzentrieren zu können. Eine Stunde lang schrieb ich, ohne mir eine Ablenkung zu gönnen.
Als Jansen gegen Mittag in die Redaktion kam, brachte er zwei Pizzen und zwei Schachteln mit frischem Salat mit.
Wenig später erschien auch Pöppelbaum. Er hatte die Fotos von unserem Ausflug zu den Templiner Seen zu Hause bereits gesichtet und die besten Bilder herausgesucht.
Madigs Haus, das Boot, die Kajüte. Brinkhoff, wie er auf der Bahre lag. Und ein Foto vom abfliegenden Rettungshubschrauber. Kleist im Gespräch mit den Prenzlauer Kollegen. Kleist und ich auf dem Boot. Der Schriftzug Hackenstramm. Und natürlich Aufnahmen von der wunderbaren Landschaft der Uckermark.
»Ich habe alle Fotos auch an Sven vom Kurier geschickt«, teilte Wayne mit. »Ich soll dich herzlich grüßen. Sie wollen deinen Artikel genau so abdrucken, wie du ihn schreibst. Er meldet sich noch per Mail oder ruft an.«
»Klappt ja alles prima«, freute ich mich. »Meinen Artikel könnt ihr im Redaktionsordner lesen. Ich koche derweil ein paar Liter Kaffee.«
Ich hatte die Geschichte in mehrere Teile aufgeteilt: Eine Auflistung der Verbrechen, die bisherigen Ermittlungsergebnisse inklusive der Festnahme des Dealers in Istanbul und die aufregende Befreiung des Anton Brinkhoff.
Der Kaffee wirkte nicht. Ich war auf eine seltsame Art erschöpft, doch meine Sinne waren trotzdem geschärft. Das Licht erschien mir heller als sonst, die Geräusche lauter. Die Sätze, die Jansen und Pöppelbaum von sich gaben, während sie lasen, prallten an meiner Hirnschale ab.
»Grappa, was ist los?«, fragte Jansen plötzlich. »Du bist ja weiß wie die Wand und deine Lippen sind blau.« Seine Worte hatten ein Echo.
»Ich fühle mich auch merkwürdig«, stotterte ich. »Wie in Trance. Ich glaube, ich kriege eine Grippe oder so was.«
Jetzt rumorte es in meinem Magen. Mir wurde speiübel. Ich schaffte es noch gerade zum Klo. Dort kotzte ich mir die Seele aus dem Leib. Als der Anfall vorbei war, zitterte ich am ganzen Körper.
»Ich bringe dich nach Hause«, kündigte Jansen an. »Pöppelbaum, du fährst mit Grappas Schlitten hinter mir her.«
»Wir müssen doch das Layout für die Seite noch besprechen«, wandte ich ein.
»Das kann ich auch allein machen. Soll ich einen Arzt rufen?«
»Bloß nicht. Ich will nur schlafen, schlafen und nochmals schlafen.«
Eine halbe Stunde später lag ich im Bett. Die Sonne strahlte. Ich zog die Gardinen vor und kuschelte mich ein. Alle Verbrecher dieser Welt konnten mich mal.
Bitte keine Blumen
Achtzehn Stunden hatte ich noch nie an einem Stück geschlafen. Ich erwachte, weil mein Handy nicht aufhören wollte zu klingeln. Es war zehn Uhr.
»Ja?«
»Hier Milva«, dröhnte es aus dem Telefon. »Deine Story ist der Hammer. Ja, wirklich!« Sie kicherte ihr kratziges Lachen. Aber dieses Mal störte es mich nicht, sondern ich war amüsiert.
»Hackenstramm!« Sie grölte. »Auf so einen Namen muss man erst mal kommen. Und weißt du was? Mein Verlag hat den Gies in seine schäbigen Einzelteile zerhauen. Wir wollen hunderttausend Euro von dem Sack. Der backt jetzt ganz kleine Brötchen. Er beschuldigt Madig, ihn zu der Bilderfälschung angestiftet zu haben. Und Madig behauptet, von Gies angestachelt worden zu sein. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich – und schlägt sich dann doch wieder. Und der Dealer von der Brühl hat sein Geständnis zurückgezogen. Jetzt hängt Madig wieder in der Uhr. Sag mal, hörst du mir eigentlich zu? Hallo!«
Hörte ich ihr zu? Ich wusste es nicht. »Milva, entschuldige. Ich bin krank. Können wir später reden?«
Ohne ihre Antwort abzuwarten, legte ich den Hörer auf. In der Küche warf ich die Kaffeemaschine an und drückte auf Latte macchiato. Das Geräusch der aufschäumenden Milch und das Mahlen der Bohnen vermittelte mir ein Gefühl der
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