Mailverkehr für Anfänger (German Edition)
Betrifft: Die Beerdigung von Frau Stiller, Rechnungsnummer 13498
Von: H. Zimmermann
Datum: 22.10.2012 10:16
Sehr geehrter Herr Gruber,
ich habe Ihnen ausdrücklich untersagt, bei der Trauerfeier das Lied »Highway to Hell« von AC/DC spielen zu lassen. Frau Stiller stand unter dem Einfluss schmerzlindernder Medikamente, als sie mit Ihnen ihre Wünsche besprach. Birgit ist eine gute alte Freundin von mir und hätte niemals die Trauergemeinde so schockieren wollen. Vor allem, weil diese überwiegend aus Kollegen bestand. Bibliothekare sind nicht bekannt für ihren progressiven Musikgeschmack. Von diesem Ausrutscher einmal abgesehen, ist die Abschiednahme jedoch würdig verlaufen und ich zahle gerne die Rechnung, wie bereits mit Ihnen besprochen. Natürlich nur unter Abzug des Postens »Musik«.
Mit freundlichen Grüßen
H. Zimmermann
Betrifft: Rechnungsnummer 13498
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 23.10.2012 08:23
Sehr geehrte Frau Zimmermann,
Frau Stiller hat mir unmissverständliche Anweisungen gegeben, wie sie ihre eigene Abschiednahme gestalten wollte. Das von Ihnen beanstandete Lied war für sie ein Symbol für Lebenslust und Freude. Ich richte mich nach den Wünschen meiner Klienten, auch und vor allem wenn sie tot sind. Ich berücksichtige ebenfalls die Wünsche der Hinterbliebenen. Selbst wenn es sich um heimlich in den Sarg gelegte, potentiell gefährliche Grabbeigaben handelt. Zuverlässigkeit und Diskretion. Sie machen den Erfolg meines Institutes aus.
Bitte zahlen Sie die Rechnung komplett.
Mit freundlichen Grüßen
M. Gruber
Betrifft: Rechnungsnummer 13498
Von: H. Zimmermann
Datum: 23.10.2012 23:11
Sehr geehrter Herr Gruber,
ist es bei Ihnen üblich, in den Särgen von Toten herumzuwühlen? Ich war ja gleich misstrauisch, als Birgit so von Ihnen schwärmte. Von wegen alternative Beerdigungen. Bunt bemalte Särge, Lesungen, verrückte Musik. Dazu ein Bestatter, der aussieht wie ein zugekiffter Filmstar.
Birgit hatte eindeutig zu viel Morphium im Blut. Die Ärmste. Und was, bitte schön, ist an einem Vibrator gefährlich? Er war, wie Birgit immer gern betont hat, ihr bester Freund. Ich wollte sie nicht ohne ihn gehen lassen. Es bleibt dabei: Ich weigere mich, die Rechnung vollständig zu bezahlen.
Mit freundlichen Grüßen
H. Zimmermann
Betrifft: Rechnungsnummer 13498
Von: Gruber Bestattungen
Datum: 24.10.2012 09:14
Sehr geehrte Frau Zimmermann,
Leichen zu verbrennen ist nicht ganz so einfach, wie der Laie glaubt. Ein Herzschrittmacher kann zum Beispiel explodieren, und ernsthaften Schaden anrichten. Meine Aufgabe als Thanatopraktiker, eine Bezeichnung, die ich dem »Bestatter« vorziehe, ist es, so etwas zu verhindern. Ihre Grabbeigabe erwies sich jedoch bei näherer Inspektion als nicht batteriebetrieben, und deshalb habe ich sie bei der Toten belassen.
Was Ihre Bemerkung angeht, ich sähe aus wie ein zugekiffter Filmstar: Hollywood hat noch nicht angerufen, und im Dienst nehme ich keine verbotenen Substanzen zu mir. Das Institut erfreut sich einer guten Auftragslage, gerade weil wir anders sind als die anderen.
Sind Sie sicher, dass Frau Stiller diese Grabbeigabe nicht lieber in den Händen ihrer besten Freundin gesehen hätte?
Wenn Sie die Rechnung nicht innerhalb der nächsten 14 Tage begleichen, muss ich Verzugszinsen anmahnen.
Mit freundlichen Grüßen
M. Gruber
Betrifft: Rechnungsnummer 13498
Von: H. Zimmermann
Datum: 24.10.2012 22:57
Sehr geehrter Herr Gruber,
Sie schneiden Leichen auf und nehmen Herzschrittmacher heraus? Ich dachte, so was macht man im Krankenhaus? Und Thanatos, das ist griechisch und bedeutet Tod, nicht wahr? Sehr poetisch. Viel zu poetisch für jemanden wie Sie. Leichenfledderer!
Was soll das heißen, Birgit hätte gewollt, dass ich den Vibrator behalte? Hat sie etwa mit Ihnen über mich gesprochen? Was hat sie gesagt? Etwa, ich hätte es mal wieder dringend nötig? Und dass ich Torschlusspanik habe, weil ich auch bald vierzig werde? In vier Jahren! Typisch Birgit.
Ist sogar in ihrem Alter noch mit jungen Kerlen um die Häuser gezogen. Sie wären genau ihr Typ gewesen: dunkle Haare, dunkle Augen, gepflegter Dreitagebart. Und dann noch dieses Tattoo, glauben Sie nur nicht, dass ich das nicht gesehen hätte. Was finden Männer an älteren Frauen? Mutterkomplex?
Hat Birgit auch gesagt, dass ich manchmal zu viel trinke? Dass ich allein lebe, weil »kein Kerl auf Dauer meine spitzen Bemerkungen aushält«? Sie hätten Birgit mehr Morphium
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