Greife nie in ein fallendes Messer
entscheidend verändert haben. »An der Börse muss man eine eigene Meinung haben«, lautet daher mein erster Grundsatz. Und der zweite: »Aus seinen Fehlern muss man lernen.« Mit diesem Buch möchte ich Ihnen keine »absolut sicheren Tipps« geben, wie man in kürzester Zeit reich werden kann. Ich möchte Ihnen nur helfen, Fehler zu vermeiden, Fehler, die ich gemacht habe.
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Kapitel 1: Greife nie in ein fallendes Messer. Der lange Marsch aus dem Oktober-Crash 1987
Die Gläser und Teller von der rauschenden Premierenfeier in der Frankfurter Redaktion der »Telebörse« waren noch nicht einmal weggeräumt, die Münchener Geschäftsführung sichtete mehr als zufrieden die zahlreichen Glückwunschschreiben und blätterte aufgeregt in den deutschen Tageszeitungen auf der Suche nach Berichten über den gelungenen Start der ersten umfassenden Börsensendung im deutschen Fernsehen, da sollte es für uns alle, nur zwei Wochen nach der ersten Sendung auf SAT 1, zur dramatischen Feuerprobe kommen.
Es begann alles ganz harmlos, wie einer dieser Tsunamis, dieser schreckenerregenden Meereswellen, die sich im Stillen Ozean langsam und unbemerkt aufschaukeln bis zu einer Höhe von mehr als 30 Metern, um schließlich mit rasender Geschwindigkeit auf die Küste aufzulaufen, alles unter sich begrabend, was sich ihnen in den Weg stellt.
In den USA bereiteten sich die Börsianer arglos und in aller Ruhe auf die Schlussrunde eines erfolgreichen Börsenjahres vor. Die Autoindustrie rechnete auch für das letzte Quartal 1987 mit steigenden Absatzzahlen, die chemische Industrie blickte voller Zuversicht in die Zukunft, und die Händler und Makler an der New Yorker Börse, der Wall Street, setzten mehrheitlich auf weiter steigende Aktienkurse. Einige warnende Stimmen wegen einer möglichen Zinserhöhung durch den neuen US-Notenbankchef Alan Greenspan konnten die Börsenbullen nicht sonderlich erschrecken. Dass sich Präsident Ronald Reagan und sein Finanzminister James Baker um das wachsende amerikanische Handelsbilanzdefizit sorgten und vor allem von |18| den notorischen Überschussländern im Handel mit den USA, also von Deutschland und Japan, Maßnahmen zum Abbau dieser Überschüsse und damit zur Verringerung des US-Handelsbilanzdefizits forderten, auch das brachte niemanden um den Schlaf – weder an der Wall Street noch in der Bonner Regierung, erst recht nicht bei den Währungshütern der Deutschen Bundesbank in Frankfurt. Warum also sollten wir in der Frankfurter Redaktion der Telebörse vom Business as usual abweichen?
Wir konzentrierten uns in den ersten Tagen unserer halbstündigen börsentäglichen Sendung darauf, Gesprächspartner an den internationalen Börsenplätzen und vor allem auf dem Börsenparkett in Frankfurt zu finden. Neue Mitarbeiter mussten über die Abläufe der Sendung und über die Spielregeln an der Börse informiert, Kursgrafiken in ein fernsehtaugliches Format übertragen und Kameras auf der Galerie über dem Börsensaal installiert werden. Schließlich hatten wir als Trainingsphase bis zum Start der Sendung nur wenige Tage zur Verfügung gehabt, im Grunde war unsere Generalprobe gleichzeitig die Premiere gewesen.
Auch die Börsianer selber brauchten Zeit, um sich an unsere Sendung und an den Reporter auf dem Parkett zu gewöhnen. Diese ständigen Fragen nach dem »Warum« der Kursbewegungen, nach persönlichen Einschätzungen und Prognosen, und das alles live vor der laufenden Fernsehkamera, das hatte es bisher in Deutschland in dieser Form noch nicht gegeben.
So mancher Börsenhändler war über die Anordnung seines Chefs, in unserer Sendung die Wertpapierstrategie des Hauses zu erklären, nicht sonderlich erfreut. Zumal es häufig auch gar keine Erklärung für einen plötzlichen Einbruch oder Kursgewinn gab. Kein Wunder also, dass wir die Sendung nur langsam, im ersten Gang anfahren konnten. »Und bleiben Sie bitte mit Ihrer Kamera oben auf der Galerie«, hatte mir die Börsenleitung eingebläut, »denn sonst besteht unter Umständen die Möglichkeit, mit der Kamera in das Auftragsbuch eines Händlers oder Maklers zu schauen und die jeweiligen Aktienverkäufe und -käufe sichtbar zu machen.«
Außerdem sollten wir es vermeiden, mit der Kamera nur einzelne |19| Börsianer zu erfassen, zu schnell konnte sonst der falsche Eindruck entstehen, die in der Fernsehsendung angesprochenen allgemeinen Ereignisse und Meinungen wären einem konkreten Börsianer zuzuordnen.
Die
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