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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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mehr als nur ein Grund zum Schmunzeln.
     
    Noch etwas hat mich bei meiner ständigen Suche nach den »richtigen« Kursen verstört: Die meisten meiner Gesprächspartner zeigen sich außerstande, für den nächsten Tag oder die nächste Woche einen Trend vorherzusagen und ihn auch nachvollziehbar zu begründen. Dagegen trauen sie sich ohne größeres Zaudern zu, mir den Börsenstand des nächsten Jahres zu prophezeien: »Langfristig bin ich durchaus positiv eingestellt für die deutsche Börse. Ob wir aber morgen das heutige Niveau halten werden, das kann ich beim besten Willen nicht sagen.« Sätze, die ich auf dem Parkett ständig höre. Scheinbar eine widersinnige Aussage. Denn die in ferner Zukunft liegenden Zeiträume sind doch allein wegen der zeitlichen Distanz mit größeren Unsicherheiten belastet, während das Naheliegende leichter zu prognostizieren sein müsste.
    Spötter werden einwerfen, wer langfristige Prognosen abgebe, setze auf die Gnade der menschlichen Vergesslichkeit. Doch die Dinge liegen anders: Die Erfahrungen lehren nämlich, dass sich an den Börsen auf lange Sicht grundsätzlich die fundamentale Betrachtungsweise durchsetzt. Wer seine Aktienanlage nicht als kurzfristige Spielerei versteht, mit dem Ziel, in kurzer Zeit eine möglichst hohe Rendite zu erzielen, wer sich vielmehr für die Aktie als Instrument einer langfristigen Vermögensbildung entschieden hat, der kommt ohne Wissen über die fundamentalen Grundlagen nicht aus. Dieser |14| Anleger braucht Informationen über die wirtschaftlichen Daten des Unternehmens, dessen Aktien er sich ins Depot legen will, über die Konkurrenz, die Branche und die volkswirtschaftlichen Rahmendaten.
    Natürlich gehen auch in eine fundamentale Analyse Unsicherheiten, Spekulationen und Risiken ein. Nichts im täglichen Leben läuft ohne das Risiko des Fehlschlags, erst recht nicht an der Börse. So können die Aussagen der Unternehmen selbst oder die der Analysten wegen bewusster oder unbewusster Fehler in die Irre führen, im Guten wie im Schlechten. Einstmals zutreffende Überlegungen stimmen plötzlich nicht mehr, wegen politischer Ereignisse, wegen globaler oder begrenzter Naturkatastrophen. Vorausgesetzt, wir leben weiterhin in einer mal mehr mal weniger stark wachsenden Weltwirtschaft, ist jedoch bei langfristiger Betrachtung der Aktienanlage derjenige gut beraten, der sich aufgrund fundamentaler Überlegungen für bestimmte Wertpapiere entscheidet und seine ursprüngliche Entscheidung nicht spontan korrigiert, nur weil plötzlich die ganze Börsenwelt durch ein Währungsscharmützel zwischen den USA und Deutschland ins Wanken zu geraten scheint oder weil Michail Gorbatschow von Putschisten bedroht wird.
    Eine alte Börsianerweisheit lautet: »Nie mit den Wölfen heulen« und eine andere: »Politische Börsen haben kurze Beine«. Beide Sprüche haben sich nach dem Wall-Street-Crash von 1987 und nach der Gorbatschow-Krise vom August 1991 als richtig erwiesen. Ein Jahrzehnt Telebörse und lange Gespräche mit erfahrenen Börsianern haben mich gelehrt, dass in der Banalität einer alten Börsianerregel oft mehr Weisheit steckt als in mancher noch so modisch geputzten quantitativen Analyse. Das Verwirrende ist nur, dass sich diese Weisheiten oft scheinbar widersprechen. Nach vielen Wochen der Kurssteigerungen mahnt die Börse zur Vorsicht, schließlich »ist die Börse keine Einbahnstraße«, man sollte daher Kursgewinne realisieren, also verkaufen, denn »durch Gewinnmitnahmen ist noch nie jemand arm geworden«. Andererseits soll man »seine Gewinne laufen lassen«, denn »the trend is your friend«. Was also tun? Verkaufen oder halten? Weiter kaufen? »Das kommt darauf an«, habe ich während meines Studiums gelernt.
    |15| Aber worauf kommt es an? Auf die zeitlichen Vorstellungen des Anlegers, auf das Ziel der Aktienanlage, auf die eigene Liquidität, auf das wirtschaftliche Umfeld.
     
    Aus eigenen Erfahrungen weiß ich, dass vorzeitige Gewinnmitnahmen im Nachhinein äußerst schmerzhaft sein können. Aber gar nichts zu tun und die vielzitierte Schlaftablette des André Kostolany zu nehmen, halte ich auch für gefährlich. So richtig es ist, sich aufgrund eigener Kenntnisse oder mithilfe Sachkundiger eine Meinung zu bilden und danach sein Aktiendepot aufzubauen, so falsch kann es sein, aus Schlafmützigkeit oder Sturheit bei dieser Meinung zu bleiben, selbst wenn sich die wirtschaftlichen oder auch gesellschaftspolitischen Voraussetzungen

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