Stets Zu Diensten, Mylady
1. KAPITEL
Den eleganten Zylinder ein wenig schief auf dem Kopf, schritt Will Shafto fröhlich die Piccadilly Street hinunter. Er hatte allen Grund, wohlgemut zu sein, denn alle Sorgen gehörten mit einem Schlag der Vergangenheit an. Vor ihm lag eine wunderbare, sonnige Zukunft. Er hatte Sarah Allenby um ihre Hand gebeten und war von ihr und ihrer Familie akzeptiert worden.
Dabei kümmerte es ihn nicht im Geringsten, dass sie sich wahrscheinlich völlig falsche Vorstellungen über die Gründe seines Heiratsantrags machte. Sie war zwar die gefeierte Ballkönigin der Saison, doch nicht ihr jugendlicher Liebreiz und ihre goldenen Locken hatten ihn angezogen, sondern die nüchterne Tatsache, dass sie eine reiche Erbin war. Ihre Schönheit und ihr Charme waren höchst willkommene Beigaben, in seiner Lage aber gewiss nicht von vorrangiger Bedeutung.
Schließlich sollte sie ihn – wenn auch ohne es zu ahnen – vor Marshalsea bewahren, dem gefürchteten Schuldnergefängnis, das ihn unwiderruflich erwartete, hätte sie ihn abgewiesen. Zehn furchtbare Jahre lagen hinter ihm, in denen er wohlhabend und sorglos erscheinen musste, obwohl er in Wahrheit nahezu mittellos war. Nur sein schneller Verstand und seine Geschicklichkeit hatten ihn am Leben gehalten. Doch das war jetzt alles vorbei. Endlich konnte er wieder Will Shafto von Shafto Hall sein, mit allem, was das bedeutete.
Den alten Familiensitz Shafto Hall könnte er schon bald wieder herrichten lassen, die umliegenden Ländereien, die sein verschwendungssüchtiger Vater verloren hatte, zumindest teilweise zurückkaufen, und der Name Shafto würde wieder seinen alten Glanz erhalten. Wenn er dafür den Preis zahlen musste, sich selbst an eine Frau zu verkaufen, die er zwar mochte, aber keineswegs liebte, dann war er bereit dazu.
Letzten Endes wurden nicht wenige Ehen unter seinen Standesgenossen auf weitaus geringerer Grundlage geschlossen, als er sie seiner reichen zukünftigen Gemahlin bot. Er würde sich nach Kräften bemühen, ihr ein guter und treuer Ehemann zu sein – allein seine Dankbarkeit dafür, dass mit ihrem Vermögen die Shaftos aus dem Elend herauskamen, verpflichtete ihn zu unbedingter Treue.
Lächelnd stieg er die Freitreppe des großartigen Stadthauses im italienischen Stil hinauf, den ein längst verstorbener Allenby Anfang des achtzehnten Jahrhunderts hatte errichten lassen, und betätigte den Türklopfer. Auch dieses Palais würde bald ihm gehören. In wenigen Minuten sollte er den Ehevertrag unterzeichnen, den sein Anwalt Wilmot mit den Rechtsberatern der Familie Allenby am Morgen ausgehandelt hatte.
Amüsiert stellte er sich den schlauen Fuchs Wilmot vor, wie er den Allenbys Papiere unterbreitete, die Will Shafto nicht nur als wohlhabend, sondern sogar als reich erscheinen ließen. Niemand wäre aufgrund dieser Schriftstücke darauf gekommen, wie es in Wahrheit um seine Finanzen stand.
Ganz verloren in seinen rosigen Traum, nahm er den frostigen Blick des Butlers gar nicht wahr, und auch die Tatsache, dass er in einen Vorraum geführt wurde statt, wie bei seinen früheren Besuchen, in den Empfangssalon, störte ihn nicht. So blieb ihm wenigstens Zeit, in einem prachtvoll gerahmten venezianischen Spiegel sein Erscheinungsbild zu überprüfen.
An seinem Äußeren gab es nun wirklich nichts auszusetzen. Seine dunklen Locken waren modisch und korrekt à la Brutus frisiert, das Krawattentuch bauschte sich in makellos weißer Seide, der blauschwarze Überrock saß perfekt, ebenso die eng geschnittenen cremefarbenen Pantalons. Ohne eitel zu sein, musste er sogar selbst eingestehen, dass er in Aussehen und Auftreten die meisten Gentlemen seines Alters in den Schatten stellte. Alles war folglich in bester Ordnung.
Da kehrte auch schon der Butler zurück und führte ihn mit eisiger Miene einen langen, schwarz-weiß gefliesten Gang entlang. Eine gut gekleidete junge Dame, gefolgt von ihrer Anstandsdame, kam ihnen entgegen. Wills artige Verbeugung beantwortete sie mit einem Blick, der dem des Butlers an Eiseskälte in nichts nachstand. Will Shafto hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, auch der geringsten Kleinigkeit Beachtung zu schenken, denn alles Wissen konnte sich irgendwann als sehr nützlich erweisen. So entging ihm nicht, dass diese junge mittelgroße Dame mit ihrer geraden Nase, den klaren grauen Augen, der hohen Stirn und dem modisch aufgesteckten kastanienbraunen Haar von einer strahlenden, wenn auch klassisch strengen Schönheit war,
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