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Grete Minde

Grete Minde

Titel: Grete Minde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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und immerdar: wir müssen in unsrem Tun, ob wir nun fliehen oder ausharren, einem höheren Rufe Folge leisten.‹ Und nun erzählte er mir von dem Fischbeckschen Pastor und seiner Flucht.«
    »Aber er muß dir doch noch mehr erzählt haben?«
    »Nein. Vielleicht daß er's getan, aber der alte Peter Guntz kam und unterbrach uns. Und ich wußte ja nun auch, was ich wissen wollt und daß auch eine Flucht das Rechte sein könne. Und als ich heimging, zählt ich mir her, wer alles geflohen sei. Joseph und Maria floh. Und auch Petrus floh aus seinem Gefängnis.«
    »Aber ein Engel des Herrn führte sie«, sagte Valtin. »Und sie flohen um Gott und Glaubens willen.« Es schien, daß diese Worte Greten ins Gewissen trafen, denn sie schwieg. Endlich aber sagte sie: »Ja, um Gott und Glaubens willen. Aber auch um Lebens und Rechtes willen. Ich mag kein
Unrecht
sehen und auch keines leiden.«
    »Du weißt aber, daß wir Geduld üben und unsere Feinde lieben sollen.«
    »Ja, ich weiß es; aber ich kann es nicht.«
    »Weil du nicht willst.«
    »Nein, ich will es nicht.«
    Und als sie soweit gesprochen, wandten sie sich wieder und sahen, daß der Sonnenball unter war und die Burgtürme bereits im Abendrote glühten. »Es ist Zeit, daß wir heimgehen«, sagte Valtin, »oder wir verpassen's, und Trud ist eher zu Haus als wir.«
    »Laß sie«, sagte Grete leicht. »Ich mag nicht mehr nach Haus. Mir ist, als wäre dies mein letzter Tag und als müßt ich fort. Heute noch. Gleich. Willst du?«
    Valtin sah sie bang und fragend an.
    »Du willst nicht? Sag's nur. Du fürchtest dich.«
    »Ich will, Grete. Ganz gewiß, ich will. Aber ich muß es einsehen, daß es nicht anders geht. Und hab ich dir's anders versprochen, damals auf der Burg, als die Mädchen sangen und die Sommerfäden zogen, so darfst du mich nicht beim Worte nehmen. Es war ein Unrecht.«
    Sie warf den Kopf, aber sagte nichts und nahm seinen Arm. Und so schritten sie wieder auf die Fähre zu. Die Sterne waren bald herauf und spiegelten sich in dem stillen Strom, während Mückenschwärme wie Rauchsäulen über ihnen standen. Oben auf der Burg schimmerten noch die Lichter, sonst aber war alles still, und nur aus weiter Ferne her hörte man noch ein Singen, das mehr und mehr verklang. Es waren die kleinen Leute, die, samt ihrem Gesinde, vom Außenhofe her wieder in die Stadt zogen. Und dazu klatschten eintönig die Ruderschläge des Fährboots, und nun lief es auf, und Valtin und Grete sprangen ans Ufer.
    Die Stadt gedachten sie soweit wie möglich zu meiden und nahmen ihren Weg an den Tangerwiesen hin, über die jetzt, mit ihnen zugleich, feuchte, weiße Nebel zogen. Die hohen Nachtkerzen ragten mit ihren Spitzen über die Nebelstreifen fort und mischten ihren Duft mit dem Dufte des Heues, das frisch gemäht zu beiden Seiten des Weges lag. Sie sprachen nicht, und Valtin suchte nur den Fledermäusen zu wehren, die, von dem alten Kirchengemäuer her, neben und über ihnen flatterten. So kamen sie bis an das Wassertor und bogen in denselben Zirkelgang ein, auf dem sie gekommen waren, immer zwischen den Gärten und der Stadtmauer hin. Und nun hielten sie vor der Mindeschen Gartenpforte.
    »Gute Nacht, Valtin«, sagte Grete ruhig und beinah gleichgültig. Als dieser aber ging, ohne sich umzusehen, rief sie noch einmal seinen Namen. Und er wandte sich wieder und lief auf sie zu. Und sie umarmten sich und küßten sich. »Vergiß, Valtin, was ich gesagt hab. Ich weiß, daß du dich nicht fürchtest. Denn du liebst mich. Und die sich lieben, die fürchten sich nicht. Und nun noch eines. Komm in einer halben Stund in den Garten, in euren, und wart auf mich. Mir ist so wunderlich, und ich muß dich noch sehen. Denn sieh, ich weiß es, es geschieht etwas; ich fühl es ganz deutlich
hier.
« Und dabei legte sie die Hand aufs Herz und zitterte.
    Und er versprach es, und sie trennten sich.
     

Dreizehntes Kapitel
     
Flucht
    Die Pforte war nur angelehnt, und schon vom Garten aus ließ sich's erkennen, daß Trud inzwischen ins Haus zurückgekehrt sein müsse. Die Fenstervorhänge hingen noch herab, und das rasch wechselnde Schattenspiel zeigte deutlich, daß ein Licht dahinter hin und her getragen wurde. Grete stieg nun die Stufen hinauf, die von dem Garten in den Hof führten, drückte das Gitter ins Schloß und fühlte sich, über Flur und Treppe hin, bis an das Hinterzimmer des oberen Stocks. Die Türe stand noch offen, wohl der Schwüle halber, und Grete sah hinein. Was sie sah, war

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